Kurzkritiken zu den Kinostarts der Woche:Für Liebhaber eine feine Sache

Die Scorpions-Tour-Doku "Forever and a day" betritt heikles Terrain. "Ruined Heart" zeigt die Liebesgeschichte eines Gauners und einer Hure wie im Rausch. Für welche Filme sich der Kinobesuch lohnt - und für welche nicht.

Von den SZ-Kinokritikern

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Das andere Rom

Kinostart - 'Das andere Rom - Sacro Gra'

Quelle: dpa

Das ewige Rom ist weit in dieser Doku; Gianfranco Rosi bleibt an der Peripherie, beim Autobahnring "Grande Raccordo Anulare", der die Stadt umschließt. Entlang der Straße entdeckt er Skurriles, Bizarres, auch - fast - Idyllisches. Käfer, die sich durch Palmen fressen - ein Schädlingsbekämpfer lauscht mit Super-Mikro ihren widerlichen Fressgeräuschen - werden zur zentralen Metapher für die Nach-Berlusconi-Gesellschaft. Stark - Rosi bekam dafür 2013 den Goldenen Löwen.

Martina Knoben

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Baden-Württemberg von oben

Baden-Württemberg von oben

Quelle: Kinostar Filmverleih

Nostalgische Kuckucksuhren, moderne Automobile, erlesener Wein und romantische Schlösser. Baden-Württemberg hat nicht nur eine florierende Industrie, sondern auch eine malerische Landschaft zu bieten. Der Dokumentarfilm "Baden-Württemberg von oben" von Peter Bardehle und Julia Zantl zeigt das Bundesland aus der Vogelperspektive, aufgenommen mit der Cineflex, der modernsten Helikopterkamera der Welt. Den Kommentar zu den beeindruckenden Bildern spricht Schauspielerin Nina Hoss, Archivbilder belegen die geschichtlichen Hintergrundinformationen zu den jeweiligen Orten.

Lena Abushi

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Flowers of Freedom

Flowers of Freedom

Quelle: BraveHearts International GmbH

Überleben in Kirgisien, im Dorf Barskoon, durch das täglich LKW mit einer hochgiftigen Chemikalie donnern; mit dem Gift wird in einer nahegelegenen Mine Gold abgebaut. Als nach einem Unfall immer mehr Dorfbewohner erkranken, kämpft eine Gruppe von Frauen für die Rechte der Opfer. Mirjam Leuze hat sie über Jahre hinweg begleitet, schließlich schafft es eine von ihnen sogar ins Parlament. Ein immer wieder amüsanter Dokumentarfilm, trotz allem, über einen beeindruckenden Kraftakt.

Martina Knoben

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Forever and a Day

Forever and a day

Quelle: AD PR

Regisseurin Katja von Garnier betritt mit ihrer Dokumentation über die Farewell-Tour der Scorpions (die letzte, wirklich allerletzte Tour) gleich zweifach heikles Terrain: Da wäre zunächst die Sache mit dem Älterwerden in der Rockmusik: schwierig. Und dann das Genre selbst, das allzu oft ein Problem mit dem eigenen Fan-Sein hat. Zwei Hürden, an denen auch dieser Film nicht vorbeikommt. Für Liebhaber eine feine Sache, für alle Anderen reden ältere Herren viel zu viel darüber, dass der Rock'n'Roll niemals sterben wird.

Annett Scheffel

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Home

-

Quelle: AP

Knuffige Aliens, die Boovs, sind auf der Flucht vor ihren fiesen Erzfeinden - sie besetzen also die Erde und denken, sie täten den Menschen einen Gefallen, wenn sie ihnen ihren Lifestyle aufzwingen und sie nach Australien umsiedeln. Ein besonders knuffiger Boov muss sich verstecken, weil er den Plan mit der Erde versehentlich ins transuniversale Internet gestellt hat, und so lernt er ein kleines Mädchen kennen, das bei der Evakuierung versehentlich vergessen wurde. Tim Johnson hat das inszeniert, so politically correct, wie man es von Dreamworks gewöhnt ist. Das mag pädagogisch wertvoll sein - es macht die Geschichte aber sehr vorhersehbar.

Susan Vahabzadeh

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N - Der Wahn der Vernunft

N - Der Wahn der Vernunft

Quelle: Real Fiction

Ende der 1920er flüchtet der Franzose Raymond Borremans nach Afrika. Das eurozentrische, Ordnung suchende Weltbild lebt er allerdings bis zu seinem Tod 1988 in seinem Projekt - einer Enzyklopädie Westafrikas - aus: Er kommt aber nur bis zum Buchstaben "N". Mit seinem wunderbar poetischen Essayfilm kontrastiert der belgische Filmemacher Peter Krüger in einem Rausch aus Kamerafahrten, einem lyrischen Off-Kommentar und psychedelischen Percussion-Klängen afrikanische Spiritualität und Borremans' Kategorisierungsdrang: "Wenn du aufhörst, die Dinge zu definieren, siehst du die Welt, wie sie ist."

Julia Weigl

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Eine neue Freundin

Kinostart - Eine neue Freundin

Quelle: dpa

"Ich mache mich schön!", sagt Claire (hinreißend: Anaïs Demoustier) vor dem Spiegel. Eine Frau, die ihr Frausein lernt und dabei aufblüht. Verführt und angespornt von einem Mann (Romain Duris), der gern in Frauenkleider schlüpft und damit seine eigenen Wünsche wahr werden lässt. François Ozon, der Erotomane mit dem Transgender-Twist, ist in seinem Element, wenn er für seine zauberhafte Verwandlungsgeschichte Truffaut-Eleganz mit Hitchcock-Mystery kombiniert.

Rainer Gansera

8 / 15

Der Nanny

Der Nanny

Quelle: 2015 Pantaleon Films GmbH, Erfttal Film- und Fernsehproduktion GmbH & Co. KG, ARRI Film & TV Services GmbH, WS Filmproduktion, Pantaleon Entertainment AG, Warner Bros. Entertainment GmbH

Zeit mit der Familie ist doch das Wichtigste. Das lehrt uns Milan Peschel, wenn er als rehäugige Nanny wider Willen die verwöhnten Bälger des Immobilienfuzzis Clemens (Matthias Schweighöfer) vor der emotionalen Verwahrlosung rettet - und den eigenen Kiez gleich mit. Man selbst würde auch gern gerettet: vor den platten Gags, den zur Schauspielerei verleiteten C-Promis, dem Anblick, wie Schweighöfer (auch Regie, zusammen mit Torsten Künstler) es auf einem toten Oktopus treibt. Wobei, das mit der Familienzeit stimmt ja. Nur sollte man die besser nicht mit diesem Film verschwenden.

Luise Checchin

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Ruined Heart

Ruined Heart

Quelle: Rapid Eye Movies

Der Vorspann als Tätowierung auf der Haut eines Erschossenen; die Liebesgeschichte zwischen Gauner und Hure als rauschhafte Abfolge von Musikstücken und schrillen Happenings ohne Dialog; das Kino als unsignierbares Experiment im Rausch der Fragmente: "This is not a film by Khavn de la Cruz". Der geniale Philippiner erfindet das Filmische neu - in dem er aus seinem Ruin seinen Triumph komponiert.

Philipp Stadelmaier

10 / 15

Something Must Break

Something must break

Quelle: Salzgeber & Co. Medien GmbH

Es zerreißt einem das Herz wie schon lange nicht mehr im Kino, dass diese Liebe keine Chance haben soll. Sebastian will als Frau leben, und Andreas sagt "Ich bin nicht schwul" als er sich in ihn verliebt hat, und das ist gut so. Seine Liebe ist echt, aber den Sex schafft er einfach nicht. Ester Martin Bergsmark hat seinen/ihren Film dicht gebaut, zwischen großem Melodram und Kitchensink-Kitsch, selbst falsche Töne sind genau am richtigen Platz. Saga Becker ist wunderschön wie von einem anderen Stern als Sebastian: Ich bin nicht von hier. Das sieht man auch, wenn man genau hinschaut. Mir bleibt kaum noch Zeit. Bald bin ich fort.

Fritz Göttler

11 / 15

Tod den Hippies

Tod den Hippies - es lebe der Punk!

Quelle: Nik Konietzny; © X Verleih AG

Ein vollkommen wahnsinniger Punk-Slapstick von Oskar Roehler: Robert flieht Anfang der Achtziger vor seiner spießigen Freundin und den verdammten Landhippies aus der Provinz nach West-Berlin, der autistischsten Stadt des Universums. Dort knutscht Blixa Bargeld mit Nick Cave, und die Miete bezahlt er mit dem Geld, das er fürs Spermawegwischen in den Wichskabinen am Bahnhof Zoo bekommt. Auch dabei: Rainer Werner Fassbinder.

Die ausführliche SZ-Filmrezension lesen Sie hier.

David Steinitz

12 / 15

Stratos

Festival

Quelle: Festival

Dass Filme aus Griechenland zur Zeit oft von Armut und Verzweiflung handeln, liegt irgendwie nahe. Auch der zyprische Regisseur Yannis Economides macht da mit, wenn er einen stoisch-verstockten Auftragskiller namens Stratos durch weitschweifige Szenarien sozialer Vereledung schickt. Wenn schließlich Kinder zur Prostitution angeboten werden, bleibt nur die Kugel für alle. Zieht sich aber fast so lang wie die griechische Finanzkrise.

Tobias Kniebe

13 / 15

Die Verfehlung

Die Verfehlung

Quelle: Camino Filmverleih / Alina Bader

Schock. Der katholische Gefängnisseelsorger Jakob (Sebastian Blomberg) muss entdecken, dass sein Priesterkollege Jugendliche sexuell missbraucht hat. Die Amtskirche will den Fall vertuschen. Schade, dass Gerd Schneider das brisante Thema im Stil eines TV-Problemfilms-der-Woche abhandelt, die Charaktere zu Statthaltern argumentativer Positionen verdünnt und das Wichtigste vernachlässigt: die Opferperspektive.

Rainer Gansera

14 / 15

Von glücklichen Schafen

'Von glücklichen Schafen'; Von glücklichen Schafen

Quelle: Bernd Spauke/FIlmfabrik

Wie sooft rettet der Großvater die Situation: In diesem Fall beschert Vedat Erincin ("Almanya - Willkommen in Deutschland") als mürrischer Großvater Kadir Sözens Familiendrama die dringend benötigte, wunderschön dumpfe Alltagsschwere. Gut tut das bei der klischeeanfälligen Story um eine gefallene türkische Frau und alleinerziehende Mutter (Narges Rashidi).

Annett Scheffel

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Zu Ende ist alles erst am Schluss

Kinostart - Zu Ende ist alles erst am Schluss

Quelle: dpa

Skype ist nicht wirklich brauchbar, sagt der Hotelbesitzer, da könne er zwar mit seinem Sohn am andern Ende der Welt reden, aber die Präsenz fehlt, das physische Anfassen. Weshalb er den jungen Romain als Nachtportier einstellt und doch immer selber auch in der Hotelhalle hockt und eine Flasche nach der andern herbeiholt. Jean-Paul Rouve spielt ihn selbst, der Regisseur des Films, der voll auf die Präsenz seiner Stars - Michel Blanc, Annie Cordy -, setzt, für eine traurigschöne, gelassene Geschichte um die Angst vor dem Altwerden und davor, die Jugend verlassen zu müssen. Und um das Glück, doch noch einmal zurückkehren zu können in die Kindheit.

Fritz Göttler

© SZ vom 26.03.2015/perl/khil/rus
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