Kurzkritik:Zum Liebhaben

Abdullah Karaca inszeniert "Romeo und Julia" in Oberammergau

Von Christiane Lutz, Oberammergau

Oben ist der Himmel, unten der Staub. Logisch, dass Romeo und Julia in den guten Momenten oben herumsteigen, direkt unterm Dach des Theaterzelts, im Tode dann auf kantigen Steinen auf dem Boden liegen. Abdullah Karaca hat "Romeo und Julia" bei den Festspielen in Oberammergau inszeniert, in dem traditionsgemäß Laien spielen. Natürlich gucken jetzt alle genau hin, was Karaca abliefert, wo er doch von 2020 an zweiter Leiter der "Passionsspiele" sein wird. Er zeigt sich unbeeindruckt und liefert eine souveräne, unsentimentale, wenngleich etwas erwartbare Inszenierung, die auf Unwichtiges verzichtet und Shakespeares Sprache treu bleibt. Abgesehen von ein paar "Ärschen", aber die gehören inzwischen ja quasi in jeden Klassiker.

Karaca lässt in einem schlichten, grauen Wohnraum unterm Sternenzelt spielen, zweistöckig, mit steinigem Vorgarten. Die strengen Capulets tragen türkisblau, die rüpelhaften Montagues rot. Farben, derer sich Romeo und Julia nach und nach entledigen. Der Regisseur nimmt eine wesentliche Änderung zum Original vor: Er lässt die Hochzeit von Romeo und Julia nicht schon vor den Morden an Mercutio und Tybalt stattfinden, sondern erst danach. So klebt während dieses Akts der Liebe bereits Blut an Romeos Händen, er ist längst verbannt. Diese Verdrehung versaut dem Paar den einzigen, winzigen Zufluchtsmoment in der ohnehin nicht aufzuhaltenden Tragödie. Als wolle Karaca sagen: Ich weiß, ihr wisst, dass das hier schlecht ausgeht. Aber kommt nicht auf die Idee, deswegen nur eine Sekunde der Entschädigungs-Romantik zu erwarten.

Herrlich komisch ist der blassforsche Paris (Dima Schneider), der mit einem Blumensträußlein nur die Lenden der Lady Capulet erwärmt, lüstern-hysterisch gespielt von Ursula Maria Burkhart. Die ist zwar Theater-Profi, aber immerhin Oberammergauerin. Auch Maximilian Stöger sei hervorgehoben, der als muskulös-sensibler Romeo eine beachtliche Dringlichkeit in seinem Spiel zeigt. Nach zwei Stunden, als sich der Staub auf die Toten senkt und die Hitze im Theaterzelt nachgelassen hat, fühlt man die Wucht dieser alten Geschichte. Karaca hat den Oberammergauern ein Liebespaar zum Liebhaben geschenkt. Sie werden das mit ihren Herzen belohnen.

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