Kurzkritik:Zu viel Sport

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David Sanchez' Quintett "Carib" in der Unterfahrt

Von Oliver Hochkeppel, München

Es ging nicht gut los. Ein langes erstes Stück brauchte der aus Puerto Rico stammende, seit langem in New York lebende Saxofonist David Sanchez, um dem Auftritt seine s Carib-Quintetts in der Unterfahrt Struktur zu geben. Erst ganz allmählich spielte man nicht mehr aneinander vorbei, sondern miteinander. Was wohl in erster Linie daran lag, dass die Band, die da agierte, wenig mit der angekündigten zu tun hatte. Zwei Schlüsselpositionen waren mit Musikern umbesetzt, die in dieser Konstellation das erste Mal überhaupt spielten und deshalb selbst noch den Soundcheck zum Üben nutzten.

Zwar sind sowohl der Pianist Ed Simon wie auch Schlagzeuger Damion Reid routinierte Top-Profis der New Yorker Szene, Simon zum Beispiel als Mitglied von SF Collective, Reid in etlichen Bands von Terence Blanchard bis zu Rudresh Mahanthappa. Doch für das, was Sanchez mit seinem Projekt im Sinn hat, muss man eigentlich mehr als nur gut eingespielt sein. Geht es bei Carib doch um die Verschmelzung des artifiziellen Modern Jazz der amerikanischen Ostküste mit den leuchtenden Melodien, vor allem aber der fließenden, von der Magie der nur leicht variierten Wiederholung lebenden Rhythmik seiner karibischen Heimat einschließlich haitianischer Motive. Dazu entwirft der kontinuierlich zwischen Saxofon und Perkussion wechselnde Sanchez eine Art karibisch-amerikanische Minimal Music, bei der alles in wiederkehrende Cluster zerlegt wird. Tatsächlich ergab das dann von Minute zu Minute stärker diesen berühmten "Flow", in den Musiker wie Publikum geraten.

Dass es zu funktionieren begann, merkte man auch daran, dass die Musiker die Zeit vergaßen und ein sehr langes erstes Set spielten. Die nicht minder lange - offensichtlich zu lange - Pause hätte man dann getrost zum Gehen nutzen können. Nur noch selten fanden die Fünf die richtige Mischung, verfielen stattdessen in die typische New Yorker Hochleistungsmucke. Viel Sport, wenig Musik. Zwiespältig, das Ganze.

© SZ vom 24.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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