Kurzkritik:Zu leichte Kost

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Tina Teubners Musikkabarett im Lustspielhaus

Von Thomas becker, München

Plötzlich ist alles da: Tiefe, Herz, Schmerz und Schmackes. Wo eben noch recht platt über Merkel, Maschmeyer und andere Opfer gewitzelt wurde, ist jetzt Poesie, Charme, Melodie, Nachdenklichkeit, und die Geige weint und juchzt dazu. Dafür hat die gute Frau also all die Auszeichnungen wie den Deutschen Kabarettpreis und den Deutschen Kleinkunstpreis bekommen! Passenderweise heißt ihr mit Abstand stärkstes Lied an diesem Abend "Es wird Zeit", denn leider zeigt sich Tina Teubner erst kurz vor der Nachspielzeit von ihrer allerbesten Seite. Der Abend endet mit einer ebenso schönen Nummer zum profanen Glück - was die Stimmung in diesem Moment gut trifft - sowie mit dem rausgebrüllten Appell: "Lasst uns die Stradivari unter den Arschgeigen sein!" Nach zwei bis dahin eher anstrengenden Stunden denkt man seufzend: Madame, warum denn erst jetzt?

Klar, als Mann gehört man hier nicht zur Zielgruppe: dezenter Frauenüberschuss im ausverkauften Lustspielhaus. Und so ist der Jubel groß, als Teubner über die Herren der Schöpfung Hohn und Spott ablädt. Glatze, Wampe und überhaupt der ganze Kerl: ein einziges Desaster. Mit dem guten alten Mann/Frau-Ding hat die Musikkabarettistin in 27 Bühnenjahren nicht nur schon mehrere ihrer 14 Programme bestritten, sondern auch ein Buch mit dem Titel "Männer brauchen Grenzen. Ein Erziehungsberater" veröffentlicht. So was geht halt immer. Weitere dankbare Themen: Diäten- respektive Abnehm-Wahn, Yoga-Hype, Jogging-Manie und noch ein paar andere Optimierungszwänge. Aber Freundin Tina erteilt Absolution, solidarisiert sich mit dem Heer der Unperfekten, ist halt eine von uns, auch wenn sie mal derb wird und ein bisschen zu oft "pullern" sagt.

Vieles in Tina Teubners Programm "Wenn du mich verlässt, komm ich mit - weniger Demokratie wagen!" kommt arg betulich, bemüht und oft recht eindimensional daher. Harmlose, leichte Kost mit Klavierbegleitung durch Ben Süverkrüp - bis mit einem Mal dann doch noch die Sonne am Chansonhimmel aufgeht. Es wurde wirklich Zeit.

© SZ vom 23.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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