Kurzkritik:Zauberhafter Zyklus

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Julian Prégardien und Rudi Spring in der Hofkirche

Von Klaus Kalchschmid, München

Auch wenn Friedrich Rückert zeitweilig bekannter und berühmter war als Goethe, ist er heute fast nur noch als Textdichter wunderbarer Lieder von Schubert, Schumann, Liszt oder Mahler bekannt. Sein 150. Todestag im Januar fand wenig Beachtung, obwohl er ein begnadeter Sprachwissenschaftler und Orientalist war, 44 Sprachen beherrschte, große Teile des Korans übersetzte und als exzellenter Lyriker ein umfangreiches Werk schuf.

Mit allein 428 Gedichten verarbeitete Rückert den frühen Tod seiner beiden Kinder. Fünf davon bilden Mahlers "Kindertoten-Lieder". Aus ihnen hatte Julian Prégardien bei seinem ausschließlich Rückert-Vertonungen gewidmeten und in acht Gruppen gegliederten Liederabend in der Allerheiligen Hofkirche eines gewählt: "Oft denk ich, sie sind nur ausgegangen". Dazu kam unter anderen das unvergleichliche "Ich bin der Welt abhanden gekommen", von ihm und Rudi Spring am Flügel höchst empfindsam und schmerzlich weltabgewandt dargeboten.

Spring hatte für den Abend einen zauberhaften Zyklus von fünf Liedern beigesteuert, der eine minimalistische Facette Rückerts luzide und fein ausdifferenziert in Musik setzte. Gegen Ende gab es nach den eher euphorischen Liebesergüssen die dramatischeren und verzweifelteren Lieder zu hören. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden sie von Robert Franz, Hans Pfitzner und Robert Kahn vertont. Mit Bernhard Sekles' "Begegnung" brach sich köstlich Humoristisches Bahn, das vor allem Carl Loewe zur Vertonung gereizt hat. Zuletzt folgte noch ein rarer Mussorgsky: Was für ein Spektrum und was für eine Vielfalt des Ausdrucks, die der lyrische Tenor - und Spring am Flügel - da meistern mussten. Prégardien gestaltete stets traumhaft wortverständlich und mit raffinierten Schattierungen des Piano und der Klangfarben, aber auch wann nötig kernig auftrumpfend. Dabei wurde er von Rudi Spring am Flügel mit staunenswerter Gestaltungskraft weit mehr als einfach nur "begleitet".

© SZ vom 22.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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