Kurzkritik:Wunderbares Akkordeon

Frank Grischek ist jetzt sehr viel mehr als nur Begleitmusiker

Von Thomas Becker

Erst mal eine Musette. Die geht immer und tut dem Hut gut, wie Frank Grischek binnenreimt. Er spielt das gerne, zweifellos. Er spielt es aber auch, weil es gut ankommt. Weil jedermann gleich an Paris, die Liebe und die wunderbare Welt der Amelie denkt, wenn er auch nur aus der Entfernung ein Akkordeon sieht. Dieses Gefühl soll den Passanten in den Geldbeutel greifen und dem netten Musikanten ein wenig Bares in den Hut zaubern, aus Dankbarkeit für die Verabreichung dieser Paris-Emotion. Ganz ähnlich funktioniert das mit Tango (Buenos Aires!), Irish und Scottish Folk (die Pubs!) sowie dem Russen-Potpourri (Kasatschok!). Das Standardprogramm der Straßenmusiker. Grischek sagt zwar "Sie kennen mich aus Ihrer Fußgängerzone, neben den Gurkenhobeln", aber das ist Koketterie, wie so vieles an diesem Abend in der Lach- und Schießgesellschaft.

Wer die gemeinsamen Programme von Henning Venske und Jochen Busse kennt, der kennt auch Frank Grischek. Dieter Hildebrandt hat das Trio mal so beschrieben: "Dieser hinreißend beleidigte Akkordeonkünstler Frank Grischek. Lieber Henning, lieber Jochen, ich traue es mir jetzt zu sagen: Manchmal habe ich, wenn einer von Euch redete, ihn angeschaut . . . entschuldigt, . . . den Frank Grischek." Dieses herrlich beleidigte G'schau war jahrelang, neben der musikalischen Untermalung, Grischeks einzige Aufgabe neben dem Rede-Duo. Doch seit drei Jahren spricht der Hamburger jetzt auch, steht nun mit seinem zweiten Soloprogramm "Der kann das" auf der Bühne, natürlich mit seiner zwölf Kilo schweren Borsini Superstar um den Hals. Und über was spricht er? Genau: über das Akkordeon.

Man darf also kein politisches Kabarett à la Venske erwarten, kein perfektes Pointen-Timing eines Busse. Grischek ist Akkordeonspieler, sagt selbst "Ich kann nix anderes"- und kokettiert schon wieder. Denn er kann auch: erzählen, überzeichnen, konterkarieren, eine herrliche Hassrede auf die Volksmusikplagen Florian Silbereisen/Helene Fischer halten. Dann aber wieder der Understatement-Modus: "Ein wahrer Gentleman spielt Akkordeon, macht aber keinen Gebrauch davon." Nur gut, dass er den Gentleman zuhause gelassen hat und uns in seiner Liebeserklärung an sein Instrument mitnimmt ins melancholische Südamerika, zu den fröhlichen Schotten und nach Paris zu Amelie und der Liebe. Merci dafür!

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