Kurzkritik:Wunderbar

Naturbelassen: Louane in der Freiheizhalle

Von Oliver Hochkeppel

Ums Weggehen und ums Verlassenwerden geht es in den Texten, um das verwirrende Getriebe der Welt, um die großen und kleinen Gefühle, und explizit um die Jugend. Alles auf berührende Weise unerfahren und unbestimmt. Das nächste französische Fräuleinwunder hat damit nun auch Deutschland verzaubert, Louane heißt es. In der Freiheizhalle hat die 19-Jährige bewiesen, dass sie mehr als nur einen Hit ("Avenir") vorzuweisen hat und durchaus auf den Spuren einer Zaz wandeln kann.

Sicher, die musikalische Umsetzung ihrer Lyrik ist nicht immer spannend. Der eine oder andere Song ist Gebrauchspop mit Chi-Chi-Sounds vom Keyboard und Plopp-Plopp vom Schlagzeug, wie es die Franzosen mögen; mitunter wird sich im Supermarkt bedient, von Lenny Kravitz bis Johnny Hallyday. Aber es sind eben auch achtbare Ohrwürmer darunter und finessenreiche kleine Chansons. Vor allem, wenn Louane nur im Duo mit dem Keyboarder oder a cappella mit dem Publikum singt, wird klar, was sie wirklich kann. Da bricht dann aus der angenehmen Naturstimme mit exzellenter Phrasierung eine gewaltige Kraft hervor, gepaart mit einer verborgenen Zerbrechlichkeit. Und man bekommt eine Ahnung davon, was es mit einem macht, wenn man in jungen Jahren kurz hintereinander Vater und Mutter verliert.

Vor allem aber ist es Louanes Natürlichkeit, die einen schnell gefangen nimmt - wie schon in der Coming-of-Age-Geschichte "Verstehen Sie die Béliers?", in der sie die Hauptrolle spielt. Ihre blonde Mähne hat vor dem Konzert definitiv keinen Friseur gesehen, Schminke braucht sie nicht, und Jeans mit dunklem T-Shirt tun es allemal. Nie hat man den Eindruck, Louane würde nicht fühlen, was sie singt. Mit dem offenkundig mehrheitlich französischen Publikum redet sie in ihrer etwas tieferen Sprechstimme in einer einnehmenden Mischung aus Respekt und Hinwendung. Und wenn sie dann in der Zugabe scheinbar spontan ihrem Keyboarder ein schmatzendes Küsschen auf die Wange drückt, da möchte man sie endgültig vom Fleck weg adoptieren.

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