Kurzkritik:Wohlklingendes Jubiläum

Orchester Jakobsplatz München feiert Zehnjähriges

Von Barbara Doll

"Hebbeljudithdritterakt", so klingt es, wenn Bibiana Beglau ansagt, was sie gleich lesen wird. Beiläufig, aber nicht hingeschludert, sondern kalkuliert. Der Text soll wirken, nicht der Titel, und der Kontrast zur Musik soll maximal groß werden. Dabei knallt die Schauspielerin schon qua Erscheinung - weiße Schuhe, bunt gestreiftes Kleid - aus dem schwarz-weißen Gesamtbild der Aufführung heraus. Das Orchester Jakobsplatz München (OJM) sitzt in großer Besetzung auf dem Podium, dahinter thront der Kammerchor der Universität Augsburg, am Rand sitzen Solisten aus dem Opernstudio der Bayerischen Staatsoper. Mit großem Hallo feiert das OJM in der Reithalle sein zehnjähriges Bestehen. Dirigent Daniel Grossmann hat dafür ein frühes Mozart-Oratorium ausgegraben, "La Betulia liberata". Mit 15 vertonte Mozart die Geschichte von Judith, die den Feind Holofernes verführt und enthauptet, um ihre Stadt zu retten.

In der Lesart des OJM wird "La Betulia liberata" zum Universalstück über Krieg und Unmenschlichkeit im Namen Gottes. Anstelle der Rezitative liest Bibiana Beglau - sie ist für Wiebke Puls eingesprungen - biblische und literarische Judith-Texte (Dramaturgie: Andrea Schönhofer). Die "Letters from Aleppo" des Fotografen Boris Niehaus zeigen, wie aktuell und brutal das Thema ist: Überleben in einer umkämpften Stadt. Am eindrücklichsten ist Beglaus Stimme, wenn sie nur berichtet - und wenn sie sich anschmiegt.

Zwischen den Texten wallen die Mozart-Arien auf: wunderhübsche Musik. Das Orchester unter Daniel Grossmann gestaltet sie duftig und straff, mit höchst transparenter Struktur. Der Chor spendiert breiten Oratoriensound. Petr Nekoranec verfügt über einen metallischen Tenor, selten leicht und tragfähig. Sopranistin Elsa Benoit, äußerst operntauglich, überzeugt mit warmem Timbre. Natürlicher klingt die Empathie bei Mezzosopranistin Rachael Wilson. Sehr solide: Evgeniya Sotnikova (Sopran), Marzia Marzo (Mezzo) und Leonard Bernad (Bass).

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