Kurzkritik:Wohlgeformte Klangfarbigkeit

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Das Münchener Kammerorchester in der Pinakothek der Moderne

Von Rita Argauer, München

Am Anfang klingt es, als verstecke sich irgendwo in der Pinakothek der Moderne ein Chor, später hat man das Gefühl, dass sich unmerklich ein paar Holzbläser zwischen die Streicher gemischt haben und Elissa Cassini traut man im Quartett zu, dass sie ein Hall-Effektgerät zwischen ihre vibrierende Geige und einen unsichtbaren Verstärker geschlossen hat. Doch all diese Klang-Zusätze sind nicht vorhanden bei der letzten "Nachtmusik der Moderne", die das Münchener Kammerorchester ausschließlich in Streicherbesetzung unter seinem scheidenden Chef Alexander Liebreich spielt und in der man sich dem polnisch-britischen Komponisten Andrzej Panufnik widmet.

Aber in Panufniks Musik zeigt sich ein feines Gespür für Klang und für dessen Farbigkeiten. Die Experimente mit dem, wie etwas klingt, geben dabei Raum für Zugeständnisse an Tonalität - seine Stücke gewinnen an Zugänglichkeit, ohne dass sie altbacken klingen. So leuchten schon im ersten Stück - "Landscape", einem kurzen, meditativen Interlude für Streichorchester von 1962 - Klänge vom Podium herunter, die man von Streichern selten so hört: Schwebende Fülle etwa, die stehend atmet, aber sich im Pianissimo fast verflüchtigt. Langsam gleiten Stimmungen, Harmonien und Dissonanzen dabei ineinander über, und Alexander Liebreich tut gut daran, die Akzente, das Beginnen neuer Phrasen, sowie die Endpunkte klar und definiert zu setzen. Damit verhindert er, dass die Musik in stimmungsmalende Esoterik abrutscht - Panufniks Klangfarbigkeiten bleiben wohlgeformt, auch wenn im Streichquartett das Cello kurz wie eine Panflöte klingt und in seinem Violinkonzert (1971 für Yehudi Menuhin komponiert), die Solo-Stimme zum Teil durchaus Ähnlichkeiten mit dem penetrant stehenden Sinuston eines Synthesizers hat.

Doch gerade da bricht ein gewisser Schalk durch, den Liebreich zuvor in den Miniaturen "Arbor Cosmica" andeutete. Der russisch-britische Solist Alexander Sitkovetsky greift diesen in aufgerautem, aber trotzdem stark direkten Ton auf, besonders im dritten Satz, in dem die Solo-Stimme in irrwitzigen Lagenwechseln über einen lustigen Pizzicato-Sturm des Orchesters eilt - bevor sich alle in einem klaren Akkord zum Ende finden. Liebreich grinst, das Orchester lächelt, und das Publikum ist hingerissen.

© SZ vom 27.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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