Kurzkritik:Wenig Ertrag

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Das trinationale Theaterprojekt "Phone Home" im Pathos

Von Sabine Leucht, München

Im Schwere Reiter stehen Pappsilhouetten von Möbeln vor einer Projektionswand, auf der vier Performer erscheinen, die gerade Klebestreifen vom Boden knibbeln. Später winken von dort die Künstler aus Athen und London ins Publikum, mit denen der Dramaturg Michael Sommer "Phone Home" entwickelt hat. Alle drei Städte zeigen die Produktion simultan, ohne dass sich in München ein wirkliches Gefühl für den Mehrwert dieser Simultanität einstellen würde.

Eine via Skype übertragene Diskussion über eine Gala zugunsten von Flüchtlingen, bei der man in Athen nicht auf Schweinsfüßchen und in London nicht auf Champagner verzichten mag, liegt irgendwo zwischen der Persiflage solch eitler Veranstaltungen und der Kontaktaufnahme mit den Problemen, denen sich das trinationale Theaterprojekt selbst gegenübersah. Es ist ein wenig enttäuschend, dass die lockere Szenenfolge meist auf schon bekannte Geschichten zurückgreift wie jene der syrischen Schwimmerin und Olympia-Teilnehmerin Yusra Mardini.

Wenn sich die europäischen Theatermacher live zusammenschalten, um beruhigende Lügen zwischen einem jugendlichen Geflüchteten und seiner Mutter auszutauschen, werden dafür die Möbelattrappen benutzt; wie die deutsche Seite überhaupt eine Spielart pflegt, die auf Naturalismus und Perfektion pfeift. Hier wäre es interessant, einen eingehenden Blick auf die Vorstellungen der Briten und Griechen zu erhaschen, die eine andere Ästhetik pflegen. Und an Ort und Stelle sieht man etwa, wie zur Geschichte eines in einen Lastwagen gesperrten Afghanen in Athen gebügelt wird, in London einer Frau die Luft wegbleibt und in München alle vier Performer die Umrisse ihrer Füße auf einen engen Bereich des Bühnenbodens kleben.

Überdies gibt es ein Münchner Brainstorming über den Heimatbegriff und eine durch die Tücken der Übertragungswege aus dem Rhythmus gebrachte Fernbeziehung unter modernen Berufsnomaden. Es ist sympathisch, dass das vom Creative Europe Programm der Europäischen Kommission geförderte Projekt seine Recherchen auch auf die Bereiche ausdehnt, in denen jeder mitreden kann. Mehr als ein engagiertes Herumtasten kommt dabei allerdings nicht heraus.

© SZ vom 21.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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