Kurzkritik:Weiter Atem

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Philharmoniker unter Gergiev mit Bruckners Vierter

Von Klaus Kalchschmid, München

Auch 21 Jahre nach Sergiu Celibidaches Tod meint man bei jeder Aufführung einer Symphonie von Anton Bruckner mit den Münchner Philharmonikern im Gasteig seinen Geist zu spüren. Christian Thielemann hat das einmal im Bezug auf den Klang, den die Musiker verinnerlicht haben und jederzeit abrufen können, in diesem Sinne formuliert. Darauf kann auch Valeri Gergiev immer noch zurückgreifen.

Vor zwei Jahren hat er die Vierte, also die "Romantische", bereits mit den Philharmonikern aufgeführt; der damalige Mitschnitt der Fassung von 1878 mit dem Finale von 1880 - also die Version letzter Hand - ist neben Mahlers Zweiter als erster des neuen hauseigenen Labels erschienen. Wieder hört man, dass die gewaltigen Steigerungen weder Dirigent noch Orchester ein Problem bereiten, dass auch über die so charakteristischen Abbrüche und Pausen hinweg stets die Spannung gehalten wird. Noch im größten Fortissimo klingen die Blechbläser ebenso strahlend wie rund, spielen die Streicher mit einer warmen Intensität, die von der großen Vertrautheit mit dieser Musik erzählt und einer großen Liebe zu ihr. Übergänge sind stets mit einem großen, weit übergreifenden Atem gestaltet, und so wird der Kopfsatz mit seinem berühmten, am Ende strahlend wiederkehrenden Hornruf zum Zentrum des ganzen Abends, obwohl auch die Intimität des langsamen Satzes berückend Ereignis wird.

Das Konzert hatte begonnen mit Franz Schuberts "Unvollendeter" und betonte damit die Tradition, aus der Bruckner kommt. Doch eine Schubert-Symphonie ist kein Selbstläufer. Die Balance zwischen existenzieller Schwermut des Ausdrucks und klarer, unsentimentaler Struktur ist stets eine heikle. Vielleicht sollte es auch ein Orchester wie die Philharmoniker mal mit einer etwas kleineren Besetzung als mit 14 ersten Geigen probieren!

© SZ vom 25.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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