Kurzkritik:"We Want You"

"Dylan - The Times Are A-Changin'" im Deutschen Theater

Von Michael Zirnstein

"Nett, Pete, aber das ist nicht Dein Abend." Ständig wird er weggeschickt. Der einst omnipräsente Friedensbarde Pete Seeger, als Pausenclown gespielt von Alt-Hippie Heiner Kondschak, schlurft zurück zur Band. Einmal darf Pete was sagen. Man spielt gerade Newport-Folk-Festival, 1965, er steht da mit einem Beil. "Nein, Pete, das ist nicht Dein Abend!" - "Okay, aber ich dachte, die Axt im Haus erspart den Zimmerman."

Großartiger Kalauer, weil er Geschichte zuspitzt. Seeger will bei dem legendären Konzert das Stromkabel kappen, das aus bravem Folk lärmenden Rock macht. Doch er hat längst verloren gegen Robert Allen Zimmerman - besser bekannt als Bob Dylan. Ja, Bob, es ist Dein Abend. Besagter Heiner Kondschak - Multiinstrumentalist, Mime, Autor, Regisseur - collagiert das Leben eines "Shakespeares des 20. Jahrhunderts" zur Revue "Dylan - The Times Are A-Changin'". Ein kühnes Vorhaben, doch es endet als Triumph im Deutschen Theater: Weil die musizierenden Schauspieler, allen voran der pummelige Jens Koch, lieber schmunzelnd durch die Weltgeschichte rauschen und Ikonen wie J.F.K., Elvis, Ali, Armstrong auf dem Mond, Martin Luther King, Marilyn oder E.T. mit oft nur einer kessen Geste aufleben lassen, statt den genialen Unsympathen Dylan wichtig zu nehmen.

Den spielt und singt Florian Hertwig in vielen Masken ("It Aint't Me, Babe") oft verschmitzt, erhellend sind die Songs. Die hat die Band mutig ummöbliert und erzählt so viel über den Wandel des Zeitgeistes und Bobs Phasen: den Songwriter, den Rebellen, den Playboy, den Prediger, das Musikeridol, den Süchtigen. Als nach drei Stunden Hits und Anekdoten im unvollendeten Leben dünner werden, hext Kondschak auf der Mundharmonika ein Solo, das den größten Jubel erntet. Ja, Heiner, es ist Dein Abend.

Dylan, Samstag und Sonntag, 1. und 2. August, 19.30 Uhr, Deutsches Theater

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