Kurzkritik:Voll Energie

Der Cellist Pieter Wispelwey und das "Quatuor Danel" in Pullach

Von Harald Eggebrecht, Pullach

Im Adagio seines Streichquintetts C-Dur setzt Franz Schubert das zweite Violoncello mit Pizzikato-Tonfolgen so ein, als sei es eine besondere Art von Perkussionsinstrument. Die Pizzikati, die den ätherisch ruhigen Gesang der vier anderen Streicher rhythmisch und harmonisch strukturieren, wirken in diesem nicht endenwollenden Schweben der anderen wie der festkörperliche Halt. Aber sie müssen auch so energiegeladen, staunenerregend logisch und nuanciert gezupft werden, wie es Pieter Wispelwey tat, einer der großen Cellisten unserer Zeit. Wispelweys Impulse befeuerten das zu hohem Kontrastrisiko bereite belgische Quatuor Danel (Marc Danel, Gilles Millet, Violinen; Vlad Bogdanas, Viola; Yovan Markovitch, Violoncello) so, dass insgesamt eine lodernd aufregende Aufführung dieses Werkes geschah, dessen Ungeheuerlichkeit noch jede Formation an ihr Äußerstes treibt.

Zuvor hatten die "Danels" im gut klingenden Bürgerhaus Pullach die Heftigkeit, Nervosität und existenzielle Ruhelosigkeit in Felix Mendelssohn-Bartholdys letztem Quartett f-Moll packend dargestellt, auch wenn es den Primarius vor Ausdruckswillen in seinem gesten- und mienenreichen Spiel manchmal schier zu zerreißen droht, was von der Musik ablenken kann. Das Danel-Quartett gehört unbedingt zu jenen Ensembles, die nicht routiniert ihrer Sache sicher sind, sondern jedes Mal aufs neue alles an Klangfarbenneugier, extremer Laut-Leise-Dynamik, rhythmischer Pointiertheit wagen, wie es solche Grenzerfahrungsmusiken wie die von Schubert und Mendelssohn verlangen. Zu Beginn hatte aber Pieter Wispelwey Johann Sebastian Bachs fünfte Suite, bei der die A-Saite um einen Ganzton tiefer gestimmt werden muss, denkwürdig realisiert, die düsterste der Suiten. Wispelwey, der derzeit bedeutendste Prophet dieser Musik, ließ sie in all ihrer Charakteristik, rhythmischen Kraft und melancholischen Tiefe entstehen mit jener Atem raubenden improvisatorischen Lebendigkeit, die sein Cellospiel so unvergleichlich macht.

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