Kurzkritik:Virtuos koloriert

Counter Philippe Jaroussky im Prinzregententheater

Von Klaus P. Richter

Die feine, aber ein bisschen perverse Kunst der Kastraten ist längst zu einer Delikatesse des modernen Konzertlebens geworden. Da ist sie natürlich nicht mehr pervers, weil es sich um die natürliche Falsettstimme männlicher Sänger handelt und weil es um die historische Aufführungspraxis geht. Auch wenn die etwas strapaziert schien, denn die Arien, die der Countertenor Philippe Jaroussky im Prinzregententheater sang, sind "original" alle für Bass komponiert. Aber das versank alles vor dem fast überirdisch leuchtenden Timbre, mit dem der Elite-Counter Jaroussky die Zuhörer verzauberte.

Sensibel begleitet vom Freiburger Barockorchester, auch eine Elite unter den "historisch informierten" Ensembles, bescherte der französische Countertenor seinem Publikum im Prinzregententheater zwei Solokantaten von Georg Philipp Telemann und eine von Johann Sebastian Bach - alle im Ambiente von Passion und Allerseelen-Memento mori. Das erste Highlight von Jarousskys Kunst war die Arie "Kommet her, ihr Menschenkinder" aus Telemanns Kantate "Der am Ölberg zagende Jesus". Dort wurden die "Sündenschmerzen" durch die virtuosen Koloraturküste Jarousskys zum Erlebnis dramatischer Passionsmusik. Seine flamboyanten Presto-Künste zeigte dann das Ensemble, unter der Führung seiner Konzertmeisterin Petra Müllejans, nachdem es anfangs eher etwas gehemmt wirkte, in der Schlussarie "Darauf freuet sich mein Geist" der anderen Telemannkantate "Jesus liegt in letzten Zügen". Genau wie diese Arie feiert auch Bach den Tod als Eingang ins ewige Leben im Schlussjubilus "Ich freue mich auf meinen Tod" seiner Kantate Nr. 82. Und hier konnte man bewundern, wie sich die "unhistorische" Sopranlage Philippe Jaroussky mit der Solo-Oboe (kurzfristig eingesprungen: Shai Kribus) zu betörenden Klangspielen mischte. Todesüberwindung im strahlenden Counter-Belcanto in "originaler" Sopranlage bescherte dann die Zugabe mit dem "Laudamus te" aus Bachs h-Moll-Messe.

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