Kurzkritik:Viril und süffisant

Florian Boesch mit Malcolm Martineau im Studio 2

Von Klaus Kalchschmid

Plötzlich hört Florian Boesch mitten in der fünften Strophe auf zu singen. Franz Schuberts Lied "Die drei Sänger" ist nur als Fragment überliefert. Boesch also berichtet das Ende vom Lobpreis des dritten und am meisten die Herzen rührenden Sängers mit sonorer Sprechstimme. Ganz so, wie sein Bassbariton zuvor Phrasen, Worte und sogar einzelne Vokale, aber auch die großen Bögen der Melodien faszinierend natürlich und doch immer mit großem Ausdruck noch im leisesten Piano geformt hatte.

Ganz anders "Amphiaraos", ein durchkomponiertes und wild zerklüftetes rhapsodisches Rezitativ, das von den Taten des gleichnamigen antiken Halbgottes kündet, oder die ebenfalls bereits 1815 komponierte, erotisch abgründige Romanze "Der Gott und die Bajadere" (Indische Legende)". Ihre neun Strophen erklingen zur jeweils gleichen Musik, die Boesch immer anders, weil vom Text gefordert, dynamisch abtönt und in Tempo wie Pausen, in Stimmfarbe und Ausdruck variiert.

Nach der Pause trumpft der 44-jährige Sohn des Baritons Christian Boesch und Enkel der Sängerin und Gesangspädagogin Ruthilde Boesch in drei Liszt-Liedern ("Ein Fichtenbaum", "Vergiftet sind meine Lieder", "Die Loreley") viril und vor Eifersucht aggressiv fordernd auf, nicht ohne den Schluss des dritten Lieds ("Das hat mit ihrem Singen die Loreley getan") in seiner mehrfachen Wiederholung immer süffisanter zu gestalten.

Neun Lieder von Robert Schumann zeigten bei diesem großartigen Liederabend im Studio 2 des BR noch einmal das faszinierende Ausdrucksspektrum des Sängers und seines Begleiters Malcolm Martineau, kulminierend in "Abendlied", "Warnung" und "Herzeleid" sowie den drei Harfner-Gesängen, bevor die erste Zugabe Franz Schuberts "Nachtviolen" betörend reich duften ließ. Die letzte Zugabe ("Heidenröslein") gestalteten Boesch und der feinsinnige Martineau am Flügel zu einem Kabinettstück an hintersinniger Tragikomödie.

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