Kurzkritik:Verschrobener Poet

"Destroyer" fasziniert im Ampere

Von Jürgen Moises

Er sei heute in einer seltsamen Stimmung, erzählt Nicholas Krgovic, nachdem er in sich versunken auf der Bühne des Ampere ein Balladen-Potpourri am E-Piano vorgetragen hat. Und nachdem er von einem kürzlich gedrehten Musikvideo berichtet hat, das von den melancholischen Landschaften aus der Comicserie "Peanuts" inspiriert sei und in dem zwei Esel vorkämen. Das klingt tatsächlich alles etwas seltsam, und vielleicht hat man den kanadischen Singersongwriter deswegen als Support für Destroyer ausgewählt. Denn Destroyer-Chef und -Sänger Dan Bejar ist ebenfalls von leicht kauziger Natur. Im Gegensatz zu Krgovic redet er aber auf der Bühne nicht darüber. Er redet überhaupt nicht viel, sondern stolpert erst mal, als er auf die Bühne kommt, und danach sieht man ihn in den gesangslosen Passagen meist an einem Drink und einem Bier nippend in der Hocke auf dem Boden sitzen. Was Krgovic und Bejar ebenfalls verbindet, ist, dass beide das Spiel mit musikalischen Identitäten lieben. Krgovic lebt das gerne unter Pseudonymen aus, Bejar indem er den Stil seiner Lieder von Album zu Album variiert.

Auf dem aktuellen, elften Werk "Ken", das der bei Fans und Kritikern unter Genie-Verdacht stehende Kanadier im Ampere vorstellt, ist es der britische Synthiepop der Achtzigerjahre à la Cure, Suede, New Order oder Soft Cell, den er zusammen mit seiner siebenköpfigen Band opulent auskleidet. Da gibt es kühle Synthiebeats und flirrende Gitarren genauso wie schwelgerische Trompeten- und Saxofon-Soli. Struwwelkopf Bejar singt dazu mit geschlossenen Augen kryptische, bissige Texte über Hollywood, die Modebranche oder den Brexit, zumindest könnte man Zeilen aus "Rome" so verstehen. Und genauso wie bei älteren Songs wie "Times Square" oder "European Oils" kann man sich nie ganz sicher sein, ob das alles nur Parodie ist oder ob sich hier ein verschrobener Poet auf die Pop-Bühne verirrt hat. Aber genau das macht bei Destroyer auch die Faszination aus.

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