Kurzkritik:Unwiderstehlich

Der französische Saxofonist Guillaume Perret beim Jazz Sommer

Von Oliver Hochkeppel

Etwas ganz Neues zu präsentieren, ist der Ehrgeiz der meisten Festivals, oft lässt sich das nicht einlösen. Mit der München-Premiere von Guillaume Perret ist es dem kleinen "Jazz Sommer" im Bayerischen Hof - es sind ja vergleichsweise wenige Konzerte - bereits gelungen. Der 35-jährige französische Saxofonist setzt sein Instrument ästhetisch, spieltechnisch und stilistisch auf eine Weise ein, wie man das bislang noch nicht gehört hat.

Was damit beginnt, dass es aus Perrets Horn parallel zur Musik rot flackert - er hat sich irgendwie eine Leuchtdiode eingebaut. Das könnte man leicht als Gimmick abtun, doch es ergänzt das Konzept schlüssig, wie im Nightclub schnell klar wurde: Der Mann aus Annecy möchte einfach alles anders machen als andere Jazz-Saxofonisten. Schon bei den Solo-Stücken jeweils zu Beginn der zwei Sets demonstriert er das. Erst nur ein Mundstück, dann das Tenorsaxofon werden auf vielfältige Weise mit diversen Effektgeräten verfremdet. Es kann so nach Trompete, Horn, Klarinette oder gleich nach Synthesizer klingen, immerhin auch mal nach Saxofon, und wenn er mit der Hand darauf klopft, wird es zur Snare Drum oder zum Gong. Loops, Stimmverdopplungen, Überlagerungen und Samples kommen dazu. Mit üblichen avantgardistischen Klangexperimenten hat das trotzdem wenig zu tun, denn mit seiner Band The Electric Epic liebt es Perret vor allem grell, hart und laut, was Songtitel wie "Brutalum Voluptuous" unterstreichen.

Was man bisher fast nur von Jan Zehrfelds Panzerballett kannte, Perret exerziert die Kombination von Heavy Metal und Jazz auf ganz andere Weise vor. Mit der Grundierung durch die rasenden, offenkundig von Hip-Hop-Drumming beeinflussten Beat-Kaskaden Schlagzeugers Yoann Serra, den rockigen E-Bass von Laurent David und die wuchtigen, wirbelnden Läufen seines neuen Gitarristen Nenad Gajin baut Perret klug alle möglichen Bausteine in seinen Jazzrock 2.0 ein. Von arabischen Girlanden, der lässigen Klangästhetik eines Sidney Bechet oder Progressive-Rock-Hymnik bis zum Gothic Rock mit teuflischen Lachern, Rückwärts-Sprachsamples und Funk-Orgien, die wie Maceo Parker auf Acid klingen. Doch alles ist stets durchdacht, kunstvoll umgesetzt, unwiderstehlich kraftvoll - und tatsächlich völlig neu.

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