Kurzkritik:Ungebremst

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Al Jarreau als Meister der lachenden Leichtigkeit

Von Ralf Dombrowski, München

Irgendwann zwischendurch sagte Al Jarreau die vielleicht wichtigsten Sätze des Abend: "Ich liebe diese Band und ich hoffe, ihr wisst, was Ihr an ihr habt. Passt gut auf sie auf!" Jörg Achim Keller, der erste Gastdirigent der NDR-Bigband und Arrangeur des Abends, blickte in sich hineinlächelnd von der Seite auf sein Team und fuhr fort, die Musiker und Musikerinnen dezent nuancierend durch das Programm mit Liedern von Duke Ellington zu leiten. Denn auch er weiß natürlich, dass sein Ensemble zu den Besonderheiten des deutschen Kulturlebens zählt, gebührenfinanziert, damit künstlerisch autark und eben auch für Projekte wie mit dem alten Herrn des modernen Jazzgesangs zu haben, die ohne öffentlich-rechtliche Unterstützung kaum zu stemmen wären. Al Jarreau, der mit Krücke auf die Bühne geführt wird, aber in seinem vokalen Drang kaum zu bremsen ist, wiederum genießt es, sich im opulenten Klangrahmen mit einem Komponisten zu beschäftigen, der in seiner künstlerischen Laufbahn bis dahin kaum eine Rolle gespielt hatte. "Lush Life" etwa, das Lied, mit dem Billy Strayhorn 1938 bei Ellington vorspielte und dessen Emotionsdichte den Orchesterchef damals umgehend überzeugte, wird unter der Jarreau-Keller-Ägide zu einem Wechselspiel introvertiert persönlicher Einleitung und funky swingender Fortsetzung, "Sophisticated Lady" zu einer humorvoll privaten Würdigung des Weiblichen, Brubecks "The Duke" zu einer koketten Miniatur mit verbalem Knicks vor dem Genius. Überhaupt ist Jarreau trotz der für ihn typischen Scat- und Instrumentallinien vor allem dann brillant, wenn er den Text auskosten und formen kann. Er ist der Sänger der Menschen, der aufblüht, wenn er in der Zugabe drei Kinder auf die Bühne der Philharmonie holt und ihnen quasi privat ein "Summertime" vorsingt. Und er ist der Meister der lachenden Leichtigkeit, der sich bei allem Ellington auch noch ein wenig Jobim und Jorge Ben leistet, das Repertoire, mit dem er berühmt geworden ist.

© SZ vom 21.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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