Kurzkritik:Überleben leicht gemacht

Kurzkritik: Zum Brüllen komisch: der Rest der Menschheit (Mehmet Sözer und Mara Widmann).

Zum Brüllen komisch: der Rest der Menschheit (Mehmet Sözer und Mara Widmann).

(Foto: Arno Declair)

Jessica Glause adaptiert unterhaltsam einen Ratgeber für das Volkstheater

Von Christiane Lutz

Eine Antenne kann man ganz leicht selbst herstellen. Und Kopfhörer bestehen ja nur aus einer Membran, die Schallwellen überträgt. Super einfach zu bauen. Leon Pfannenmüller lächelt tapfer ins Publikum, rattert Bauanleitungen runter, während Mehmet Sözer schluchzend in einem von Grünzeug überwucherten Kasten sitzt und seine Apple-Kopfhörer in einen Apfel steckt. Sie sind nutzlos geworden, weil eine Pandemie beinahe die komplette Weltbevölkerung ausgelöscht hat und die Infrastruktur zusammengebrochen ist. 10 000 Menschen haben überlebt, die ums Überleben kämpfen müssen. Das ist die Ausgangslage von "Das Handbuch für den Neustart der Welt", ein "postapokalyptischer Ratgeber" von Autor Lewis Dartnell, den Jessica Glause für das Volkstheater zum Bühnenstück umgewidmet hat. Hätte langweilig werden können, schließlich ist das ein reines Sachbuch, weit entfernt von jeglicher dramatischen Struktur. Doch Glause beweist erneut, dass sie klug erzählen kann und wohl selbst die Betriebsanleitung für einen Thermomix erfolgreich dramatisieren könnte.

Im Crashkurs bringen die sechs Schauspieler dem Publikum das Überleben bei. So eine Apokalypse sei halb so schlimm. In 110 Minuten rennen und strampeln und experimentieren sie sich durch Jahrhunderte der Technikgeschichte, bauen Geräte zur Energiegewinnung aus alten Fahrrädern, stellen Seife her und erklären, wie man in einer postapokalyptischen Welt Penicillin gewinnt, singen das Periodensystem. Begleitet werden sie live von der elektronischen Musik von Joe Masi und Tom Wu. Immer wieder wird das wilde Treiben unterbrochen von Momenten des nostalgischen Rückblicks auf das Verlorene: Flugreisen. Internet, elektrische Heizung. Die Schauspieler spielen Krisenbewältigungstypen, wie den Wissenschafts-Freak (Leon Pfannenmüller), den Nostalgiker (Mehmet Sözer), die Zupackerin (Mara Widmann).

Fragen nach dem Wiederaufbau einer Gesellschaftsordnung lässt der Ratgeber außer Acht. Auch Glause konfrontiert die Zuschauer lieber mit ihrer totalen Ahnungslosigkeit, in der sie als Konsumenten durchs Leben stapfen und jegliche technische Errungenschaft als selbstverständlich hinnehmen. Der Abend entlarvt dies höchst unterhaltsam und ist gleichzeitig eine Kampfansage dagegen.

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