Kurzkritik:Tiefgründig

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Bach-Chor mit Mendelssohns "Paulus"

Von Andreas Pernpeintner, München

Fast ist's ein wenig schade, dass das Konzert des Münchener Bach-Chors mit Mendelssohns "Paulus" im Prinzregententheater stattfindet. Nicht, weil diesmal ungewöhnlich wenige Zuhörer gekommen sind, und ein anderer Saal dies vielleicht besser kaschierte, sondern, weil die Aufführungsumstände dem Chorklang nicht zuträglich sind: Tief steht der Bach-Chor im zum Podium umgebauten Bühnenraum, klingt durch die damit einhergehende Akustik mitunter recht trocken und ist gegenüber dem gediegen musizierenden Orchester (Haydn-Orchester von Bozen und Trient) oft zu hintergründig.

Das ist schade, denn Dirigent und Chorleiter Hansjörg Albrecht hat die Sängerinnen und Sänger erstklassig vorbereitet. Die langsamen, von Albrecht innig geformten und vom Chor sehr homogen gesungenen Choräle wären bei chordienlicher Akustik sicherlich hinreißend. Immerhin: Die raschen, im Ausdruck markanten, deklamatorischen Chöre gelingen vorzüglich, präzise und mit großer sängerischer Strahlkraft. Zum Beispiel dann, wenn es vom Volk einen Heiligen zu steinigen gilt (im "Paulus" binnen zweieinhalb Stunden gleich zweimal), klingt das in der kraftvoll artikulierten und feurig dargebotenen Prägnanz des Chors so umwerfend, wie es sein soll.

Das tut dieser Aufführung gut, denn insgesamt betont Albrecht in seinen dirigentischen Vorgaben mehr den tiefgründig religiösen als den handlungsdramatischen Gehalt des "Paulus". Dabei liegt zumindest einem der Solisten, dem Bassisten Thilo Dahlmann, der die ruhigeren Melodien manchmal etwas herb ausgestaltet, das Dramatische ganz vorzüglich: Wunderbar und packend ist sein großer Paulus-Monolog im zweiten Teil, wider die Götzen, für den Geist Gottes. Auch die anderen Solisten sind hervorragend präsent: der Tenor Michael Feyfar, in manchen Augenblicken stimmlich zwar leicht angeschlagen wirkend, aber mit klarer Erzählhaltung, dazu die Altistin Marie Henriette Reinhold, die mit so überzeugend dichtem Ton singt, dass man sich wünschte, Mendelssohn ließe sie das in diesem Werk häufiger tun. Die Sopranistin Julia Sophie Wagner schließlich ist für die erkrankte Katharina Persicke eingesprungen. Sie beginnt vorsichtig - dann setzen sich ihr feines Vibrato und ihr Gespür für eine anmutige Linienzeichnung durch. Schön.

© SZ vom 01.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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