Kurzkritik:Tiefer Trost

Carl H. Grauns "Der Tod Jesu" in der Christuskirche

Von Klaus Kalchschmid

Entsetzen, Trauer, Tränen, Wut, aber auch Kontemplation und theologische Reflexion: Wo Bachs Passionen eine weite Skala von Gefühlen aufreißen, gibt es in Carl Heinrich Grauns "Der Tod Jesu", uraufgeführt 1755 und bis Ende des 19. Jahrhunderts überaus beliebt, kaum etwas von diesen Regungen. Fast schon obszön heiter wird hier fast alles ins Positive und in unverbrüchliche Glaubensgewissheit gewendet. Kulminationspunkt ist eine von Miriam Alexandra leuchtend bravourös gesungene Sopran-Arie, die geradezu ein Halleluja darstellt für den "göttlichen Propheten, der den Trost vom Himmel bringt".

Gerade hatte das Rezitativ vom gekreuzigten Jesus erzählt, wie das immer, verteilt auf Tenor, Bariton und Sopran, geschieht, aber meist eher nebenbei und in eine weitere erbauliche, lange da-capo-Arie mündend. Deshalb wurde der prägnante, stimmstarke Bariton Peter Schöne verführt, zu dramatisieren und das Gesungene mit Pathos aufzuladen, freilich mit gegenteiligem Effekt, weil er vergeblich die Musik in ihrer empfindsamen Aufgeklärtheit vor sich selbst retten wollte. Da war Tenor Robert Sellier weitaus differenzierter.

Immer wieder verstand man freilich, warum dieses anderthalbstündige Passionsoratorium über ein Jahrhundert so beliebt war, gibt es doch reizvolle, polyphon gestaltete Chöre und Choräle, die der Chor der Christuskirche unter Leitung von Andreas Hantke, unterstützt vom Seraphin-Ensemble, mit runder Tongebung in allen Stimmlagen meisterte. Leider waren die Choräle meist trotz schöner Abrundungen an den Strophenenden allzu pauschal laut gesungen.

Etliche Arien sind gut gearbeitet und bestechen durch natürliche Melodik; nur den manchmal unfreiwillig komischen Text muss man oft vergessen, es sei denn, er ist so prägnant wie kurz vor Schluss im Choral mit Baritonsolo. Im Kontrast zwischen "Ihr Augen weint!" und der Aufforderung "Weinet nicht!" werden Problematik und Reiz dieser Passion wie mit einem Brennglas focussiert.

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