Kurzkritik:Techno-Geklopfe

Francesco Tristano schafft den Übergang der Klassik in den Club

Von Rita Argauer

Francesco Tristano hat den fast schon obligaten Apfel mit ein paar Stimmgabeln überklebt. Zwei große Marken zieren so seinen Laptop, der von dem schwarzverkleideten Pult in den Club hinein leuchtet. Die eine stellt Hipster-Computer für all die Digital-Kreativen her, die andere Motorräder und hochwertige Klaviere. Und so einfach dieses Bild ist, so gut passt es zu dem luxemburgischen Pianisten Franceso Tristano Schlimé, der seine beiden Vornamen als Künstlernamen benutzt; egal, ob er Klassik, Neue Musik oder Techno spielt. Die musikalische Sozialisation des 33-Jährigen ist vielschichtig: Im vergangenen Jahr veröffentlichte er zusammen mit Alice Sara Ott ein Klavier-Duo-Album, es gibt Jazz-Trio-Alben, Techno-für-Klavier-transkribiert-CDs oder sein Debüt: Die Goldbergvariationen.

In der Roten Sonne tritt Tristano natürlich in seiner Techno-Variante auf. Doch so leicht erlaubt der Künstler die Trennung zwischen seinen Disziplinen nicht. Obwohl er in der Nacht von Samstag auf Sonntag ein astreines DJ-Set spielt, kommt das dennoch formal anders daher. So braucht er etwa enorm lange, bis er den ersten Beat setzt. Er lässt die Bässe auf eine interessante Art tonal unsauber, dazu Streicher-Klänge, die, mit einem E-Piano gesteuert, in den Höhen glitzern. Es entsteht eine füllige Mehrstimmigkeit, die den Club noch ohne Perkussion in eine pulsierende Höhle verwandelt. Der Beat kommt dann natürlich doch irgendwann, während Tristano verwaschene Orgel-Klänge synkopisch darauf setzt. Er spielt viele seiner Klänge live, besitzt eine beeindruckende rhythmische Sicherheit, haut überraschend fiese Bass-Drums oder auch mal einen polka-haften Klavier-Break dazwischen, bevor das Techno-Geklopfe weiterrollt.

Francesco Tristano ist auf eine gute Art weit davon entfernt, seinen klassischen Hintergrund in das Metrum-Korsett der elektronischen Tanzmusik zu pressen. Genauso, wie er es in schönsten, modernen harmonischen Führungen vermeidet, seinen Techno durch tonales Schwelgen zu verkitschen. Als Kitt zwischen Klassik und Techno funktioniert bei ihm ein Verständnis für komplizierte Strukturen. Und das tut seiner Pop-Musik-Seite ebenso gut wie der Klassik.

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