Kurzkritik:Schön versponnen

Johanna Borchert in der Unterfahrt

Von Oliver Hochkeppel

Selten war man auf ein Konzert so gespannt wie auf das von Johanna Borchert in der Unterfahrt. War doch ihr Album "FM Biography" vor eineinhalb Jahren ein Paukenschlag: Eine neue Laurie Anderson präsentierte sich da mit unwiderstehlich psychedelischem Popjazz. Zwar gab es jede Menge Lob und den Jazz Echo dafür, doch live war sie schon wegen der internationalen Besetzung selten zu sehen, und das im Münchner Ampere angesetzte Konzert kam nicht zustande. Nachdem Borchert inzwischen in der Berliner Szene mit Moritz Baumgärtner an den Drums, Jonas Westergaard an Moog und E-Bass sowie Peter Meyer an der Gitarre eine ebenso verlässliche wie hochkarätige Working Band gefunden hat, konnte man jetzt also endlich sehen, ob die perfekte Studioproduktion auch live überzeugt.

Sie tat es, auch wenn alles ein wenig versponnener und spleeniger daher kam als erwartet. Wie schon beim Solo-Einstieg Borcherts am präparierten Flügel, der gemächlich zwischen Satie und Noise anhob, bis die Band mit Industrial-Sounds einstieg. Speziell bei Songs wie "Soul Mates" oder "Desert Road", die sich aus der Stille bis zum Bombast steigern, ergab sich dieser Sog, der einen beim Album so begeistert hatte. Er ergibt sich einmal aus der einmaligen, immer überraschenden Kreuzung, die sowohl die Musik wie auch den Gesang Borcherts durchdringt: Eingängige rhythmische wie melodische Grundmuster treffen stets auf wohlig verfremdende Einschübe, Variationen und Wechsel, entwaffnende Verletzlichkeit und Zartheit begegnet brachialer Wucht und euphorischen Klangausbrüchen.

So entdeckte man bis hin zum allen Kindern der Welt gewidmeten finalen "Lullaby" das ohne einen einzigen Durchhänger geniale Material des Albums freudig neu. Aber man konnte auch viel Neues ausmachen: Fast die Hälfte des Programms bestand aus teilweise noch namenlosen Stücken. Und die gingen den Weg konsequent weiter. Man darf sich vermutlich bald auf mehr freuen.

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