Kurzkritik:Schön süß

"Placebo" - Nadja Malehs viertes Soloprogramm

Von Oliver Hochkeppel

Als waschechte Wienerin mit doppeltem Migrationshintergrund stellt sich Nadja Maleh in der Lach- und Schießgesellschaft vor: Der Vater aus Syrien, die Mutter - noch exotischer - aus Tirol. Fundamentalismus sei ihr also von beiden Seiten her bekannt. Klingt einfach nur witzig, könnte aber entscheidend gewesen sein für das, was Maleh auf der Bühne macht: Sie ist das Chamäleon der Kabarettszene. Keine beherrscht so perfekt Dialekte und vor allem ausländische Akzente, keine setzt Körper und Mimik so virtuos zur Figuren-Charakterisierung ein.

Nach Jahren im Duo mit Valerie Bolzano und einiger Erfahrung mit TV-Formaten wie der "Sat1 Wochenshow" ging die ausgebildete Schauspielerin und Sängerin Maleh bei ihren Soloprogrammen den Weg vom Sketch zur Rahmenhandlung. Der Glaube als realitätsschaffende Kraft dient ihr in "Placebo", ihrem vierten, als Brücke zwischen den Figuren. Also zum Beispiel das wienerische Raunzen als Placebo für eine echte eigene Meinung, die Liebe als wirksamstes, möglicherweise einzig notwendiges Placebo und so weiter. Das bringt einige schöne Beobachtungen wie die, dass Hurrikans mit Frauennamen verheerender wirken, weil sie weniger ernst genommen werden, und viele nette Gags wie den, was das ultimativ Böse für die Kirche wäre: "Schwule Mafiosi, also die rosa nostra". Letztlich fehlt dann aber doch der Klebstoff, übernehmen Malehs grandios gespielten Typen das Kommando; altbewährte wie die sächsische Möchtegern-Entertainerin Ramona, die Inderin Mandala mit ihrem Pidgin-English oder die greise Physikerin Prof. Huber; neuere und neue wie der klugen Rapper Dragan, der statt Fach-Chinesisch Fach-Kanakisch spricht, um die Kids zu erreichen, die gnadenlos tumbe Ösi-Kindergärtnerin Melanie oder die pathetische Telenovela-Figur Rosita.

So ist Nadja Malehs Programm selbst eine Art Placebo: Es fehlen ihm die Wirkstoffe des politischen Kabaretts, der Gehalt eines wirklich tiefschürfenden Typen- oder Musikkabaretts. Trotzdem funktioniert es. Weil Malehs Zuckerpillen so schön süß sind.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: