Kurzkritik:Schall und Hauch

Die Koreanerin Youn Sun Nah überzeugt als Chanson-Sängerin

Von Oliver Hochkeppel

Youn Sun Nah vermag, was nicht vielen Sängerinnen gegeben ist: Ihr Gesang schneidet dem Hörer direkt ins Herz. Vieles kommt da zusammen: Präzision bei Intonation und Timing, eine enorme Dynamik vom Gehauchten bis zum Dezibelsturm, eine seltene Finesse beim Phrasieren und eine radikale Versenkung in die Musik. Das macht sie zu einer Sängerin, die in jedem Ton unverwechselbar bleibt, obwohl sie das vielleicht breiteste Spektrum von allen abdeckt.

Das zeigte sie auch im Prinzregententheater bei der "She Moves On"-Tour. Der Titel trifft es. Die Koreanerin, die 1992 nach Frankreich zog, lebt längst in New York. Dort versuchte sie es mit amerikanischem Jazz, doch die Zusammenarbeit mit dem Pianisten Jamie Saft scheiterte. In das Konzept der New Yorker Power-Avantgarde passt sie einfach nicht, sie lebt vom Exaltierten, von den radikalen Stimmungswechseln, von den Emotionen auch des Pop und des Chansons. Klug, dass sie darauf jetzt zurückgekommen ist, mit einem schillernden Repertoire: von Jimi Hendrix' "Drifting" bis zu Leonard Cohens "Broken Halleluja", vom traurig-zarten asiatischen Liebeslied "Arirang" bis zu Jazz-Standards, von Ulf Wakenius' Vokalise-Vehikel "Momento Magico" bis zu Léo Ferrés "Avec le temps". Die Band um den deutschen (seit Jahrzehnten in Paris lebenden) Pianisten Frank Woeste war so variabel, ihr stets den passenden Teppich auszurollen: Jazz-Soli, Soul-Groove, Folk, klassische Begleitung und psychedelischen Artrock (wo besonders der New Yorker Gitarrist Tomek Miernowski eine gute Figur machte).

Um Chanson-Sängerin zu werden, ging Youn Sun Nah einst nach Paris. Dort hatte man freilich nicht auf sie gewartet, so kam sie zum Jazz. Was nun wie ein Umweg zum Ziel wirkt: Im Jazz-Spirit hat sie es, was den Grad der Emotion und den Gestus des Auftritts angeht, jetzt tatsächlich zur universellsten und vielleicht besten nichtfranzösischen Chanson-Sängerin geschafft.

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