Kurzkritik:Sanft aufs Kiesbett

Jeder kennt "Die Moldau" von Smetana und kann dabei an böhmische Landschaften denken. Aber braucht dieses Werk den volkstümlichen Bebilderungskitsch? Nein, heißt die Antwort der Wiener Philharmoniker und Daniel Barenboims.

Helmut Mauró

Es kam vielleicht ein wenig zu schwergewichtig, das fragil-liebliche Harfenduo, mit dem der Komponist Bedřich Smetana auf seine sechs symphonischen Dichtungen sein "Má vlast" - Mein Vaterland - einstimmt. Die Wiener Philharmoniker unter Leitung von Daniel Barenboim eröffneten mit diesem Zyklus ihre Mini-Tournee München-Prag-Linz in der Isar-Philharmonie mit dieser Nationaleloge. Um "Böhmens Hain und Flut" geht es da, um die Burg Tábor, um Ritter Blaník und andere Helden des Tschechentums.

Aber, streng genommen, außer für den zweiten Teil, "Die Moldau", sind die inhaltlichen Beschreibungen von Smetanas Tondichtungen unvergleichlich detailgenauer als ihre musikalische Repräsentanz. Man kann sich Landschaften vorstellen, wie man das auch bei einer Sarabande von Bach tun kann, aber braucht dieses Werk wirklich all diesen volkstümlichen Bebilderungskonnotationskitsch? Die Antwort der Wiener Philharmoniker ist ein klares Nein.

Für ein musikantisches Panoptikum ist der Aufwand, den sie hier treiben, vielleicht doch etwas zu hoch. Diese Musiker erlauben dem Hörer, Klänge als Klang zu verstehen, Harmonien als Harmonien, melodische Verflechtungen als staunenswert kunstvolle Kreationen - nota bene: Musik als Musik und nichts sonst. Denn dieses Orchester lässt, wenn es so motiviert ist wie an diesem Abend in München, nahezu alle Orchester dieser Welt hinter sich.

Auch wenn sich die Moldau manchmal laut krachend ihren Weg durch die harten Felsengen schlug, so wurde sie doch sogleich wieder auf ein sanftes Kiesbett geführt. Solch perfekt synchronisierte Geigen, einen dynamisch, farblich und phrasierungstechnisch so fein abgestuften Klang mit der Möglichkeit blitzartiger Wechsel findet man wohl nirgends als bei diesem Orchester. Da fiel im dritten Teil sogar Barenboim der Dirigierstab aus der Hand. Vielleicht hätte er ihn doch besser aufgehoben, um dem Orchester etwas strenger entgegenzutreten, wenn es nach Lautstärke gierte. Denn das leise Spiel der Wiener beeindruckt doch allemal am meisten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: