Kurzkritik:Salzburger Moderne

Satyricon

Bernhard Hansky erfreut sich an Katerina von Bennigsen.

(Foto: OFS/Creutziger)

Bruno Madernas "Satyricon" bei den Osterfestspielen

Von Egbert Tholl, Salzburg

Mögen die Salzburger Osterfestspiele auf der einen Seite das teuerste Hochkulturhochglanzopernspektakel der Welt sein, in diesem Jahr mit der von Christian Thielemann dirigierten "Tosca", so sind sie doch auch ein Ort der Moderne. Erstaunlicherweise. Seit Peter Ruzicka die österlichen Festspiele leitet, die sehr, sehr wenig mit denen an Pfingsten oder denen im Sommer zu tun haben, stellt er der großen Produktion eine feine, kleine, moderne gegenüber. Im vergangenen Jahr war dies "Lohengrin" von Salvatore Sciarrino mit der überwältigenden Sarah Maria Sun, in diesem Jahr ist es das "Satyricon" von Bruno Maderna im coolen Republic, welches einst der Haupotspielort des "Young directors project" der Sommerfestspiele war.

Wie im vergangenen Jahr leitet Peter Tilling das "œnm", das "Österreichische Ensemble für neue Musik", und das ist fabelhaft. Genauso fabelhaft ist die Besetzung der Sängerinnen und Sänger. Denn eines geht mit Madernas "Satyricon" nicht: eine wie auch immer geartete Geschichte zu erzählen. Das Stück ist in sich mehr ein Essay über Musik und Gesang, auch wenn es auf dem "Gastmahl des Trimalchio" aus Petrons "Satyricon"-Sammlung beruht.

Maderna treibt hier das Spiel mit Zitaten auf einen Grat hinauf, von dem ab es umschlägt in etwas, was man damals, 1973, als Überdruss am Musikbetrieb angesichts dessen Verflechtung in Kommerz und Politik empfinden konnte. Heute - zu Madernas Zeiten gab es kein Internet - bleibt diese Skepsis, doch diese erhält zusätzlich einen bedeutenden Aspekt der Kritik an zeitgenössischer Wahrnehmungsästhetik. Alles ist immer zeitgleich verfügbar; hier erklingt alles annähernd zeitgleich. In 80 Minuten erlebt man Musik für Tage, ob das Wagners Walhall-Klänge sind, wenn Trimalchio sein eigenes Grabmal beschreibt, ob das Jazz ist, Weill, viel Barock - hier erweitert um ein hinreißendes Gesangsensemble von Luigi Rossi aus dem 17. Jahrhundert -, Offenbach, Rossini, Strauss, Lehár, was auch immer, eingebettet in einen aufreizenden Perkussion-Sound plus elektronische Zuspielungen, die in der Inszenierung von Georg Schmiedleitner als Fundament für Melodramen mit Gedichten von Konrad Bayer dienen.

Die Inszenierung selbst ist ein offenes Tableau der Geilheit und Dekandez, belebt von tollen Sängerdarstellern wie den wilden Tom Martinsen als Trimalchio, die überwältigende Michal Doron als dessen wildes Weib Fortunata. Alle sind gut, ob das die in bizarren Vokalisen glühende Katerina von Bennigsen ist oder die feinen Sänger Timothy Oliver und Bernhard Hansky. Nächstes Jahr kommt an Ostern ein Auftragswerk von Philipp Maintz. Wir freuen uns schon darauf.

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