Kurzkritik:Rohdiamant

Die Symphoniker mit Michail Lifits

Von Klaus Kalchschmid

Manchmal wäre es gut, wenn man im Konzert den Platz wechseln könnte. Denn die fünfte Reihe war im Prinzregententheater perfekt für Gluck und Mozart, aber weniger für die wilde, ungestüme erste Bruckner-Symphonie. Doch der Reihe nach: Michele Mariotti, der gerade mit Rossinis "Semiramide" an der Staatsoper dirigierte, ließ die Münchner Symphoniker in der Ouvertüre zu Glucks "Iphigenie in Aulis", bearbeitet von Richard Wagner, zum Trotz mit wenig Vibrato fast wie bei einem Originalklang-Ensemble spielen. Der Wechsel von Dynamik und Affekten trat dadurch plastisch und spannungsvoll hervor.

Im G-Dur-Klavierkonzert KV 453 von Mozart war jede Nuance des wunderbar feinsinnig modellierenden und immer wieder aus dem Pianissimo heraus aufblühenden Pianisten Michail Lifits wahrnehmbar, genauso wie das harmonische Zusammenspiel mit dem nicht minder auf Klarheit und federnde Deutlichkeit getrimmten Orchester. Schwebend und intensiv der langsame Satz, wenngleich die verschieden getönten Variationen des Finales noch mehr begeisterten.

Die Erste hielt selbst der große Bruckner-Exeget Sergiu Celibidache in München nie einer Aufführung wert, weder in der Linzer Urfassung (1866) noch in der hier gespielten Wiener Fassung (1891). Leider, muss man nach der den Lautstärke-Pegel nach oben nicht selten ausreizenden Aufführung mit den Münchner Symphonikern sagen. Sie löste schon nach dem ersten Satz Applaus aus, denn die Symphonie atmet den Zauber des Neuen, bislang Unerhörten und markiert den Beginn eines unverkennbaren Bruckner-Tons; vor allem im kernig-knackigen Scherzo oder dem rhythmisch pointierten Finale. Mit mehr Probenzeit wären noch organischere Übergänge erzielt worden, aber vielleicht schillerte so der Rohdiamant von Bruckners Erster umso mehr.

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