Kurzkritik:Putzmunter

Starker Auftakt der "Musica Viva"-Konzertreihe

Von Egbert Tholl

Die gute alte Tante "Musica Viva" ist putzmunter und lebendig. Beim ersten Konzert der Reihe in diesem Jahr sind etwa ein Drittel der Besucher unter 30 Jahre alt, na ja, vielleicht unter 40, auf jeden Fall gibt es ein insgesamt buntes Bild ab im Herkulessaal: Hier die an Jahrzehnten des ästhetischen Diskurses geschulten alten Häsinnen und Hasen, dort die jungen Leute, die munter das Gehörte diskutieren. Zukunft der klassischen Musik? Na hier.

Nun, vielleicht gab es ja eine PR-Offensive in den musikalischen Ausbildungsinstituten der Stadt. Aber eine solche erklärte weder den Enthusiasmus der mitgelauschten Gespräche noch die Bereitschaft, sich zwei Uraufführungen von Francesca Verunelli und Isabel Mundry, ein fünf Jahre altes Stück von Philippe Manoury und noch die darauf folgende "Late Night" mit zwei Klavieren und dem Duo Grau Schumacher anzuhören. Nein, diese Bereitschaft ist eine genuine - und sie wird belohnt. Von der sehr aufmerksamen Bereitschaft der Musiker des BR-Symphonieorchesters unter Mitwirkung von ein paar Akademisten, dem extrem präzisen Dirigat von Susanna Mälkki in jedem Detail zu folgen.

Und so gerät die Uraufführung von Verunellis "The Narrow Corner" zu einem plastischen Erlebnis. Fünf Abschnitte, die Ähnliches zum Thema haben, aber nicht als Varianten einer Narration, wie man es sich vielleicht in einem Film von Quentin Tarantino vorstellen könnte, sondern als verschiedene Perspektiven auf eine Sammlung emotionaler Zustände, denen derselbe Kern innewohnt. Verunellis Musik evoziert sicherlich Emotion, das Interessante hier ist aber, dass sie Zustände einfängt und zum Ausdruck bringt. Dagegen ist Manourys "Synapse" viel abgeklärter, wahrscheinlich auch kunstvoller. Aber irgendwie mürrisch. Die Sologeige von Hae-Sun Kang durchwandert die Klangräume des Orchesters, mal anteilnehmend, oft eher unbeeindruckt von der Umgebung, mal autistisch, mal empathisch. Freilich: Die Diskrepanz ist auch aufregend. Ähnlich aufregend wie Mundrys "Vogelperspektiven", hat man sich an die Melange aus Gedichten von Thomas Kling, dem Vortrag der Sprecherin Meret Roth, dem Vokalisengesang von Sarah Maria Sun, den brabbelnden Zuspielbändern und der echoenden Inbrunst des Orchesters gewöhnt.

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