Kurzkritik:Prachtvoll

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Münchens Philharmoniker auf dem Odeonsplatz

Von Andreas Pernpeintner, München

Für das Konzert der Philharmoniker bei Klassik am Odeonsplatz verspricht OB Dieter Reiter eine gute Akustik. Die Tontechniker nehmen den Scherz ernst: Der Klang, den sie bei Griegs "Peer Gynt"-Suite Nr. 1 zaubern, ist für ein Open Air phänomenal. Klar treten in der "Morgenstimmung" die Holzbläser hervor, ätherisch schwebt das Con sordino heran. Und "In der Halle des Bergkönigs", schnarren und grundeln die tiefen Instrumente so geheimnisvoll, dass Dirigent Krzysztof Urbański zufrieden grinst.

Dieser Dirigent ist ein Gewinn. Die Leinwand offenbart jede Nuance und zeigt, wie dezidiert und charmant er agiert. Allzu feine Details umschifft er beherzt (das einzig Richtige unter diesen Bedingungen). Als der Wind Konzertmeister Lorenz Nasturica-Herschcowici ins Notenheft pustet, und die Pultnachbarin schon verzweifelt mit dem Bogen aufs Papier tupft, schleicht sich Urbański beiläufig heran und hält, mit der Rechten weiterschlagend, die Blätter fest, bis die Böe abgezogen ist. Lässig.

Ohne musikalische Einbußen kommt auch dieses Freiluftspektakel nicht aus; Tschaikowskys Fantasie-Ouvertüre "Romeo und Julia" eignet sich dafür nur bedingt: Oft ist die Musik zu engmaschig, um sie im Freien sauber entschlüsseln zu können. Wunderbar aber gelingen Orffs "Carmina Burana" - rein konzertant, vom Chorschunkeln bei "Floret silva", der beredten Mimik von Tenor Benjamin Bruns als Schwan und der alkoholisierten Darstellungsgabe des fabelhaften Baritons Jochen Kupfer bei "Ego sum abbas" abgesehen. Man muss anmerken, dass Bruns seine Kopfstimme etwas zu sanft registriert und dass die Anmut von Sopranistin Daniela Fally rein intoniert noch reizender wäre. Doch insgesamt sind die Solisten, die Philharmoniker, der Philharmonische Chor und der Kinderchor des Gärtnerplatztheaters hochpräzise bei der Sache; sie reagieren exzellent auf Urbańskis Stringenz und bieten ein eindrucksvolles Konzerterlebnis vor prachtvoller Kulisse. Als sich das Rad der Fortuna zu Ende dreht, wird oben in einem Residenzfenster ein kleines Kameralamperl angeknipst und ein Hobbydirigent schlägt mit Urbański im Fortissimo um die Wette.

© SZ vom 14.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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