Kurzkritik:Pointiert

"Deichkind" haben für alles einen Spruch parat

Von Dirk Wagner

Statt einer weiteren Band gestaltet VJ Wasted das Vorprogramm zum Deichkind-Konzert im ausverkauften Zenith mit Musikvideos, die nicht nur musikalisch überzeugen, sondern dank des künstlerischen Gehalts der ausgesuchten Videos ein optimaler Einstieg in ein als Party getarntes Kunstevent sind. Kaum fällt der Vorhang, auf dem gerade noch ein Video zu sehen war, das an den Godfrey-Reggios-Film "Koyaanisqatsi" zur Musik von Philip Glass erinnert, stürmen drei mit leuchtenden Pyramiden behütete MCs zum Bühnenrand und singen "So 'ne Musik" vom neuen Deichkind-Album.

Erst als die MCs zur Seite treten, um den tatsächlichen Sängern von Deichkind die Bühne zu überlassen, wird deutlich, dass man sich als Zuschauer wieder einmal hat täuschen lassen. Immer wieder ergänzen jene Tänzer den Auftritt der Sänger. Und weil diese wie jene immer wieder in neue Kostüme schlüpfen oder mal Perücken tragen, die wie riesige Gehirne ausschauen, muss man manchmal zweimal hinschauen, um auszumachen, welcher Sänger echt ist, und wer nur posiert.

Unverkennbar sind dagegen die großartigen Slogans, die Deichkind mit ihren Songs prägt. "Like mich am Arsch" zum Beispiel als Kommentar auf soziale Netzwerke, auf denen selbst eine Todesmeldung mit dem entsprechenden Daumen-nach-oben-Bildchen kommentiert wird. Zur Förderung von Lebensqualität empfiehlt die Band "zum Frühstück Blattgold auf die Smacks", und zur Förderung von Lokalpatriotismus bekennt Deichkind, dass München "leider geil" ist.

Für ihren sozialkritischen Blick auf ein Leben zwischen "Oktoberfest und Fashionweek" wedelt Deichkind allerdings nicht mit dem mahnenden Zeigefinger, sondern legt entlarvend bösen Humor an den Tag, der musikalisch auch mal Michael Jackson oder Frankie Goes To Hollywood zitiert. Überhaupt reiht die Band beinahe einen Hit an den anderen, so dass man leicht übersieht, dass jene Party in Wahrheit eine Kunstplattform ist.

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