Kurzkritik:Plötzlich weg

Zach Condon und seine Band "Beirut" beim Tollwood-Festival

Von Jürgen Moises

Es ist beim siebten und beim achten Lied, "The Akara" und "No No No". Da ist plötzlich Zach Condons Stimme weg. Und bevor sich dieser Umstand bald darauf als Mikrofonpanne herausstellt, erwischt man sich kurz bei dem Gedanken, dass der Stimmverlust vielleicht andere Ursachen hat. Denn vor drei Jahren hat der amerikanische Singer-Songwriter und Kopf der Folkpop-Band Beirut, so könnte man sagen, schon einmal die Stimme verloren. Burn-Out, Scheidung, Schreibblockade und ein plötzlicher Tourneeabbruch. Dass er nun mit neuem Beirut-Album auf Tournee gehen und zur Begeisterung seiner Münchner Fans in der vollen, stickigen Tollwood-Musik-Arena spielen würde, das war nicht unbedingt vorherzusehen. Aber wie gesagt: Der Stimmverlust war technisch bedingt. Und man muss sagen: Er war gleichzeitig auch einer der wenigen wirklich überraschenden Momente des eineinhalbstündigen Konzerts.

Der Rest war ein gut gemischtes, unterhaltsames Potpourri aus alten Songs wie "Postcards from Italy" oder "Mount Wroclai" und neuen wie "No No No" vom gleichnamigen aktuellen Album. Das klingt minimalistischer, weniger folkloristisch-osteuropäisch und noch etwas poppiger als früher. Gefühle wie Wehmut und Sehnsucht tanzbar zu machen, darin liegt aber immer noch Beiruts Talent. Auch Condons Stimme klingt gewohnt kraftvoll und nuancenreich, und was er und seine fünfköpfige Band an Trompete, Posaune, Ukulele, Piano, Keyboard, Akkordeon, E-Bass und Schlagzeug bieten, ist musikalisch absolut perfekt. Um nicht zu sagen routiniert. Sich ohne größere Pausen durch mehr als 20 Songs zu spielen, geht jedenfalls schon in Richtung Parforce-Ritt.

Ein Tribut an die Hitze, gegen die das Publikum mit einem Meer aus Fächern ankämpft? Oder an das EM-Finale, zu dessen Anpfiff das Konzert beendet sein muss? Vielleicht lautet die Losung nach der Krise aber auch einfach, sich an alten Stärken zu orientieren. Für diese werden Beirut am Ende dann auch ausgiebig gefeiert. Dass die Rückkehr nach der Krise auch einen Neuanfang bedeutet, lässt sich aktuell jedoch nicht sagen.

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