Kurzkritik:Ode an die Droge

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"Cypress Hill" huldigen auf Tollwood dem Kiffen

Von Renate Frister, München

Es ist unerträglich heiß, und es riecht nach Gras. Kein Wunder, dass schon nach 20 Minuten einer aus den Latschen kippt und von Sanitätern aus der Musikarena des Tollwood-Festivals getragen wird. Am Eingang lässt einer seinen Joint fallen, ein anderer will ihn darauf aufmerksam machen, zieht dann aber lieber selber daran. Während die Besucher draußen ganz politisch korrekt veganes Eis verspeisen und nach Holzschmuck und Pluderhosen stöbern, recken sich im Inneren des Zeltes tätowierte Arme in die Luft, glitzern Goldketten, bouncen junge Männer mit Baseball-Caps lässig zu den harten Beats von Cypress Hill. Die Musikarena hat sich in eine Hip-Hop-Enklave verwandelt.

Cypress Hill kommen auch nach 25 Jahren noch gut an, die meisten der 4000 Fans waren damals aber noch im Kleinkindalter. Die Latino-Hip-Hopper, bekannt für ihre Cannabis-Propaganda, scheinen auch auf Tollwood nur ein Thema zu kennen: Nicht genug, dass das Bandlogo, in Großformat hinter der Bühne leuchtend, einen Totenkopf mit einem Hanfblatt auf der Stirn zeigt und auf seinem T-Shirt "Rollin High" steht - Rapper B-Real zieht schon nach einer Viertelstunde auf der Bühne einen durch und bläst dicke Rauchschwaden in die Luft. Des Weiteren huldigen Cypress Hill dem Kiffen mit "I Wanna Get High" und "Dr. Greenthumb". Die Stimmung im Publikum brodelt. B-Real rappt mit seiner unverwechselbaren, übertrieben hohen und nasalen Stimme; die Worte abgehackt, gepresst, aber trotzdem lässig.

Als Kontrapunkt dazu Sen Dogs Zwischenrufe in tiefer Lage. Bei Superhits wie "Insane In The Brain" steigen die Fans lautstark ein. DJ Muggs zeigt, dass er sein Mischpult auch blind, die Hände auf dem Rücken, bedienen kann; dann bearbeitet der Percussionist Eric Bobo im Affenzahn seine Trommeln. Nach dem Megahit "(Rap) Superstar" ist Schluss, das Konzert hat noch nicht einmal eineinhalb Stunden gedauert. Vielleicht besser so, sonst hätte es vermutlich noch mehr Hanfkrankentransporte gegeben.

© SZ vom 16.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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