Kurzkritik:Noble Distanz

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Sol Gabetta und Hagen Quartett im Prinzregententheater

Von MICHAEL STALLKNECHT, München

Schon neun Monate im Vorhinein, heißt es aus Veranstalterkreisen, sei das Konzert ausverkauft gewesen. Offen bleibt die Frage, ob es an der Aufführung von Franz Schuberts Streichquintett in C-Dur liegt oder an der Mitwirkung Sol Gabettas daran. Dabei spielte die Cellistin hier nur die Bassstimme - eine Aufgabe, der sich für Schuberts legendäres letztes Kammermusikwerk schon viele berühmte Cellisten gestellt haben. Gabetta fühlte und fügte sich denn auch bewundernswert bruchlos in die besondere Ästhetik des Hagen Quartetts ein, mit der die Vier allein schon die erste Hälfte des Abends im Prinzregententheater geprägt hatten.

Es ist ein feinnerviger, sehr heller Klang, der sich da bei Ludwig van Beethovens Streichquartett op. 18 Nr. 3 sowie Anton Weberns Sechs Bagatellen op. 9 gezeigt hatte. Farben aus dem Piano- und Pianissimobereich dominieren. Von den herausragenden Möglichkeiten des Hagen Quartetts zeugt dabei nicht nur die innere Beweglichkeit der Stimmführungen, sondern auch die Fähigkeit zu gemeinsamen minimalen Temporückungen. Gerade Beethovens Streichquartett, chronologisch wahrscheinlich sein erstes, gewinnt darüber besondere Farbe. Indem die Hagens darauf verzichten, Akzente scharf herauszuspielen oder im Figurenwerk musikantisch aufzutrumpfen, sorgen sie für ein Moment der Distanz. Bedient wird gerade nicht der Charakter des Frühwerks, eher entsteht aus der Kultur der sanften Tempoverzögerungen ein melancholisches Moment der Rückschau.

Mit derselben Distanz nähern sie sich im gemeinsamen Spiel mit Sol Gabetta dann auch Franz Schuberts tatsächlichem Spätwerk. Sie verweigern das übliche Pathos der Einfühlung in fiebrige Extremzustände, bleiben dem Werk aber durch ihre genaue Zeichnung trotzdem nichts schuldig. Dazu trägt auch Gabetta in der einzigen kleinen "solistischen" Aufgabe bei, indem sie die pochende Pizzicato-Figur im zweiten Satz mit extremer Präzision gerade hält. Es herrscht eine fast apollinische Klarheit, die bei aller Schicksalhaftigkeit etwas Tröstliches behält. Schade nur, dass die Konzentration nicht ganz bis zum Ende hält, die fünf Musiker in der Wiederholung des Scherzos und im Schlusssatz mit kräftigeren Farben dem Affen doch noch ein wenig Zucker geben. Im Kopf bleibt dennoch die Noblesse dieser Interpretation, die beim Publikum auf begeisterten Beifall stößt.

© SZ vom 11.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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