Kurzkritik:Nichts Neues

Stephan Kimmig macht Schillers "Don Carlos" in Berlin zum müden Klassiker. Nur Ulrich Matthes überzeugt. Er spielt Philipp als modernen, kalten Herrscher.

Von Mounia Meiborg

Es scheint nicht gut zu laufen am Hof von Philipp II. Er brüstet sich zwar damit, dass in seinem Reich die Sonne nie untergehe. Tatsächlich aber hängen Industrie-Lampen von der Decke und verströmen fahles Licht. Die Bühne von Katja Haß ist ein morbides Labyrinth aus Türen, Tischen und Jalousien. Ein Palast mit dem Charme einer Stasi-Zentrale.

"Don Carlos" wird wieder mal gespielt, diesmal am Deutschen Theater in Berlin. Warum auch nicht? Die Meinungsfreiheit, die Marquis Posa vom König fordert, ist zwar hierzulande weitgehend durchgesetzt. Dafür kommt einem manch anderes aus dem Spanien des 16. Jahrhunderts bekannt vor. Die Überwachung zum Beispiel. Eine frustrierte Jugend, die ungeduldig auf ihren Einsatz wartet. Und ein unversöhnliches Europa, das zwar heute nicht mehr Krieg führt, aber dafür um die gemeinsame Währung und Außengrenzen streitet.

Ulrich Matthes spielt Philipp als modernen, kalten Herrscher. Ganz ruhig sitzt er da, die Beine übereinandergeschlagen, und plant den Tod des Sohnes. Bei Matthes sitzt jedes Wort. Er denkt und spricht Schillers Text ganz genau, bis in die Verästelungen hinein. Die anderen Schauspieler haben es schwerer. Die Regie hat ihnen Lockerheit verordnet, von der höfischen Etikette ist nichts übrig geblieben. Alexander Khuon als Carlos schlurft im Jogginganzug über die Bühne. Was ihn neben den sportlichen Ambitionen antreibt, bleibt vage. Wahrscheinlich sind es eher die Frauen als die Politik. Jedenfalls knutscht er mit Königin Elisabeth (Katrin Wichmann) rum, die mal seine Frau werden sollte und nun seine Stiefmutter ist. Marquis Posa, der große Aufklärer und Revolutionär, ist bei Andreas Döhler ein lebensfroher, bodenständiger Typ aus dem Volk.

In der ersten Hälfte hat das Ganze noch Drive. Nach der Pause fällt die Spannung ab. Pflichtschuldig wird die Handlung durchexerziert: Briefchen hier, Intrige dort. Was der Regisseur Stephan Kimmig mit dem Stück erzählen will, erschließt sich nicht. Da hilft auch das EU-Fähnchen nicht, das auf der Bühne steht. Es bleibt einsames Accessoire einer behaupteten Aktualität.

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