Kurzkritik:Neuer Marquis

Verdis "Don Carlo" erstmals mit Christian Gerhaher

Von Klaus Kalchschmid

Auch wer Giuseppe Verdis "Don Carlo" in der Regie und Ausstattung von Jürgen Rose am Nationaltheater schon mehrfach erlebt hat, staunt immer wieder über den variablen Einheitsraum - ein nach drei Seiten geschlossener Guckkasten mit einem hineingekippten riesigen Kruzifix eines splitternackten Christus. Ein Raum ist das, der allein durch Licht immer anders wirkt, einen nächtlichen Park, ein Kloster, einen Verhörraum oder ein Schlafzimmer darstellt.

Neu ist dagegen nun ein Großteil der Besetzung: Christian Gerhaher sang zum ersten Mal den Marquis Posa in München - nach seinem Debüt 2013 in Toulouse in dieser Paraderolle für einen (noch) lyrischen Bariton mit Kern und Strahlkraft in der Höhe. Kommt hinzu, dass Gerhaher gewohnt intelligent phrasierte und artikulierte, aber auch eine natürliche Bühnenpräsenz besaß. Und obwohl Yonghoon Lee als Don Carlos extrovertierter sang und spielte, harmonierten die beiden in ihren Duetten der ungleichen Freundschaft.

Besser noch passte der dunkel grundierte, in der Höhe durchaus metallisch durchdringende Tenor des Sükoreaners mit Tamara Wilson als Elisabeth von Valois, deren dramatischer Sopran erst gegen Ende rund leuchten und aufblühen konnte. So wurde die Abschiedsszene der beiden im fünften Akt zum Höhepunkt des Abends. Die manchmal etwas scharfe Attacke der Nadia Krasteva als intriganter Prinzessin Eboli muss man mögen, Ildar Abdrazakovs König Philipp bestach dagegen durch Intensität, aber auch Wärme seines Bassbaritons und die differenzierte Auslotung eines Charakters zwischen Herrscher-Geste, in seiner Eitelkeit verletztem Mann und vergeblich nach menschlicher Nähe Suchendem. Großartig daher auch die düstere Szene mit dem brutalen Großinquisitor Rafal Siweks. Paolo Carigniani vermochte einmal mehr die Züge der Grand Opéra und das intime Drama des "Don Carlo" zusammenzuzwingen und das Staatsorchester federnd gespannt agieren, aber auch - wann nötig - die Musik sanft sich entfalten zu lassen.

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