Bei der programmatischen Tondichtung eines aufstrebenden Komponisten um 1890 mag man intuitiv an Richard Strauss denken. Und wirklich hat der junge Jean Sibelius damals den Erfolg von Strauss' "Don Juan" mitbekommen. Dennoch ist seine an der skandinavischen Sagenwelt orientierte Tondichtung "En saga" op. 9 von ganz anderer Ästhetik. Großflächiger, mythischer, kompositorisch herber gefügt. Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks spielt das Werk zum Beginn der neuen Saison im Herkulessaal unter Leitung von Dima Slobodeniouk, der sein BR-Debüt gibt, plastisch: manchmal entfesselt tosend, viel häufiger aber mit ruhigem Bedacht. Herrlich etwa, wie intim und homogen im Klang die kurzzeitige Reduktion der großen Partitur auf vier einzelne Violinen gelingt.
Im Zentrum der ersten Programmhälfte aber steht Rachmaninows viertes Klavierkonzert. Wer Rachmaninow vor allem mit üppig vergossenem Zuckerguss verbindet, lernt bei diesem Werk ordentlich dazu. Gerade, wenn der Solopart von Leif Ove Andsnes gespielt wird, denn Triefendes gibt es bei ihm in keiner Weise. Sein Ton ist von kühler Eleganz. Das ist nie so süffig, wie das Orchester mitunter begleitet, nie so süß, aber in den deutlichen Konturen, die Andsnes durch seine konzentriert gefasste Vortragsweise zeichnet, glasklar und schön. Keine Frage, das hat eine gewisse klangliche Härte - doch spielt bei diesem Klangeindruck auch eine Rolle, dass man als Zuhörer in den vorderen Reihen fast ebenso sehr unter wie vor dem Flügel sitzt. Äußerst motorisch der dritte Satz: Wie filigran hier den Musikern die präzise Koordination des rhythmischen Aberwitzes zwischen Solist und Orchester glückt, beeindruckt.
Mit der Solistenzugabe, einer kleinen Romanze, von Andsnes schlicht und stringent dargeboten, kehrt der Abend zu Jean Sibelius zurück und findet mit der in großen Klangblöcken interpretierten ersten Symphonie nach der Pause seinen Höhepunkt.