Kurzkritik:Mysteriös

Die "Songbook"-Reihe im Schwere Reiter

Von Rita Argauer

Ins gängige Repertoire einzugehen, ist einigen wenigen Komponisten vorbehalten. Vor allem die Zeitgenössischen gehören da selten bis nie dazu. Dass das Münchener Kammerorchester die Kompositionen, die es regelmäßig in Auftrag gibt, nicht nur für die Uraufführung geschrieben wissen will, beweisen sie in schöner Regelmäßigkeit mit der Konzertreihe "Songbook" im Schwere Reiter.

Es beginnt mit Samir Odeh-Tamimis "Aufbruch", 2008 vom Kammerorchester uraufgeführt. Das Solo-Cello röhrt wie ein Nebelhorn, unterlegt von Pizzikati wie Peitschenschlägen und trotz der kompositorischen Unregelmäßigkeiten belebt dirigiert von Clemens Schuldt. Das nur zehnminütige Stück wurde in der "Politik"-Saison des Orchesters komponiert und diese Musik ist Politik im besten Sinne: Harsch, aber dialogreich zeigt sich Streitkultur auf hohem Niveau. Márton Illés' "Rajzók I", 2011 uraufgeführt, setzt mehr auf Konstruktion anstatt auf Impuls. Freie Stimmungen werfen Harmonien und Disharmonien schon als Begriffe durcheinander, die Streicher klingen fahl, tasten sich langsam an Ausbrüche heran. Es ist das abstrakteste und vielleicht mysteriöseste Stück des Abends, das nach George Crumbs "Black Angels" von 1970 für verstärktes Streichquartett und Geräuschutensilien beinahe etwas spröde wirkt.

Denn Crumbs Musik (das einzige nicht vom Münchener Kammerorchester uraufgeführte Werk) ist der Popstar des Abends: Das grob in drei Teilen organisierte Stück verbindet in Collagentechnik Tonalität und Cluster, Geräusche und Spielereien. Die vier Musiker holen die stetigen Klangveränderungen mit hehrem Ernst aus ihren Instrumenten, die sie mal wie ein Banjo, mal spiegelverkehrt spielen. Am Ende streckt Geiger Mario Korunic dem tosenden Publikum die Partitur entgegen. Auch um damit zu zeigen, wie viel vorgegebene Performance in dieser Art von Musik steckt, die tatsächlich ins Repertoire moderner Streichquartette eingegangen ist.

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