Kurzkritik:Musikantisch

Der Niederländer Ben van Oosten brilliert beim "Orgelherbst"

Von Klaus P. Richter

Dramaturgisch passte es ganz gut, dass der Indian Summer in München Pause machte. Denn bei dem kalten, regnerischen Wetter wollten vielleicht nicht alle zur Bierkultur auf die Wiesn. Jedenfalls sah es ganz so aus, denn die riesige St. Michaelskirche war zum Auftakt des neunten "München Orgelherbsts" brechend voll. Peter Kofler, sein Impressario, hatte dazu gleich einen Star des Metiers geholt: Ben van Oosten. Der Niederländer, Titularorganist an der Grote Kerk in Den Haag, kultiviert nicht so sehr die historische Tradition seiner Herkunft mit ihren erlauchten Arp Schnitger-Orgeln, bei Sweelinck oder Reinken, sondern ist berühmt als Meister des "französischen" Repertoires, der sinfonischen Orgelmusik der Spätromantik.

Deshalb stand das Konzert unter der Devise: "Festival französischer Orgelmusik". Seinen spektakulären Ruf löste van Oosten vom ersten Takt an ein, im "Marche américaine" von Charles Marie-Widor als Orgelbearbeitung: virtuos, präzise und kernig aber mit expressiven Swing. Bei Léon Boëllmanns zweiter Suite op. 27 senkte sich dafür etwas Rachmaninoff-Flair über die heiligen Hallen, verflüchtigte sich aber schon im "Carillon de Westminster" von Louis Vierne und noch glänzender in der Toccata von Eugène Giguot bei rauschender Forte-Brillanz, leuchtendem Prinzipal-Feuer und massiven 32-Fuß-Bässen. Das bemerkenswerteste aber waren die Registrierkünste, die van Oosten der Orgel und dem Programm abgewann. Mit einer oft schon nach wenigen Passagen veränderten Registrierung zeichnete er detailgenau differenzierte Klangbilder, die ein äußert abwechslungsreiches Farbenpanorama der Stücke und ihrer Strukturteile erstehen ließen - aber nie analytisch, immer musikantisch. Womit auch die schier unbegrenzten Möglichkeiten der Rieger-Orgel mit ihren 75 Registern und dem elektronischen Setzersystem und seinen 1000 speicherbaren Kombinationen samt Archivfunktion spektakulär vorgeführt wurden.

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