Kurzkritik:Mit scharfer Wucht

Festspiele: Evelyn Herlitzius singt die "Elektra", Asher Fisch dirigiert

Von Rita Argauer

Viel Spielraum hat die Elektra in dieser Inszenierung nicht. Sie hat keinen Platz, auf dem sie agieren kann, sie hat - bis auf eine Axt - keine Requisiten. Sie hat lediglich ein kleines Brett, rechts auf dem schmalen Streifen der Vorderbühne, das ihr Wohnraum und Agitationsort ist. Doch Evelyn Herlitzius in der Titelpartie, die gerade auch als Isolde in Bayreuth eingesprungen ist, vermag diese kleine Spielfläche auf manische, körperliche und tief-reale Weise auszufüllen.

Herbert Wernicke inszenierte die Strauss-Oper Ende der Neunzigerjahre für die Bayerische Staatsoper, dabei verzichtete er auf Umdeutungen oder Metaphern: Elektra ist ein expressionistischer Racheengel, der Antike entsprungen, archaisch und brutal. Asher Fisch dirigiert Strauss' "Elektra" nun während der Opernfestspiele. Und auch ihm ist in dieser kargen Inszenierung eine große Rolle und gestalterische Verantwortung gegeben. Denn Strauss' wohl kühnste Opernmusik dient den Figuren (ähnlich der Shakespeareschen Wortkulisse) als Bühnenbild und Seelenspiegel: Klytämnestras behauptete, herrschsüchtige Contenance und ihre naive Angst vor den Albträumen illustriert Strauss genauso schreiend wie Elektras psychotische Rachefixierung und die ablehnende Arroganz der Mutter gegenüber. Fisch gestaltet diese Farben mit scharfer Wucht. Es ist anstrengend, ja fordernd, den häufigen musikalischen Keulen mit voller Aufmerksamkeit zu folgen, bildet aber die tödliche Konsequenz der Elektra auch ausgesprochen passend ab.

Und Herlitzius kann das tragen. Nicht nur das, sie verleiht der Titelpartie auf wundersame Weise die entsprechende Physis dazu. Neben der schwierigen Partie gestaltet die Sopranistin, die auch eine Tanzausbildung hat, diese antike Figur aus ihrem Körper heraus, verleiht ihr etwas eigenes, abseits der Stereotypen. Etwa als trotziges und gleichzeitig todgefährliches Kind der Klytämnestra (Waltraud Meier) gegenüber. Oder wenn sie, depressiv gelähmt, mit der Rache als einzigem Überlebensgrund ihre Axt liebkost. Es sind brutale und ängstigende Bilder, die gerade durch die Kargheit gewinnen. Ein altmodischer Expressionismus, der aber nicht nostalgisch wirkt, sondern einen starken und gleichsam überfordernden Ausdruck erfährt.

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