Kurzkritik:Maschinen-Klang

Das Jubiläum zu 25 Jahren Sommerkonzerten

Von Rita Argauer, Ingolstadt

Die Parallelen, die der Autohersteller zur Herstellung von Kunst zieht, sind ein bisschen einfach: Das organisierte Ineinandergreifen der einzelnen Stimmen des Orchesters, das sei doch durchaus vergleichbar mit der Audi-Belegschaft, die in der Werkhalle N58 für gewöhnlich Karosserieteile presst und stampft. Dementsprechend wurde diese Werkhalle als Konzertsaal hergerichtet. Und während auf dem Podium das London Symphony Orchestra sitzt, glänzen hinter den Zuschauern fein drapierte Motorhauben, wie Ausstellungsstücke in Szene gesetzt und beleuchtet.

Um die Musik herum gibt es dazu allerhand Brimborium. Etwa die Produktdesigner von Audi, die live zur orchestrierten Version von Bachs Toccata und Fuge in d-Moll malen. Oder Projektionen, die Kent Naganos Dirigier-Bewegungen ein digitales Abbild erschaffen. Doch viel spannender als dieses Eventisieren von Musik sind die tieferen Parallelen, die das Konzert zu 25 Jahren Audi-Sommerkonzerten aufzeigt. Denn man präsentiert ein mutiges und ungewöhnliches Programm: So wurde ein Fokus auf die Kunst und die Technisierung der frühen Moderne gesetzt; ein Blick, der aber auch durchaus die monströsen und unkontrollierbaren Seiten der Industrialisierung und des frühen Kapitalismus zeigt. Denn die Bedrohung durch Technik wird dabei genauso abgebildet wie deren Faszination. Zum Beispiel in George Antheils "Ballet Méchanique": Zwischen Spieluhr-Tonalität und Industrielärm erscheint dessen absurde Besetzung mit vier Flügeln, allerhand akustischer und elektrischer Percussion und drei Flugzeugpropellern als klassischer Vorläufer des Industrial-Sounds, der später aus dem Punk entstand. Bei Audi wurden die Propeller zwar durch Motorräder der aufgekauften Marke Ducati ersetzt, das Stören und das Unbehagen, das in dieser Musik liegt, erzählt sich dennoch ohne Zweifel.

So spiegelt sich die Dauerpräsenz des Konzerns auch künstlerisch. Etwa wenn ein leichter Abgas-Geruch in der Luft bleibt, der anschließend wunderbar zum vergiftet-süßen Tanz in Strawinskys "Sacre du Printemps" passt. Und dessen Archaik schließlich durch Naganos akkurate Klarheit als unausweichliche, aber getaktete und technisierte Maschinerie erscheint. Dunkel und faszinierend.

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