Kurzkritik:Lust am Übermut

"Falstaff" mit Bryn Terfel und dem BRSO

Von Egbert Tholl

Eigentlich ist Verdis lustiges Spätwerk "Falstaff" gar nicht so sehr für eine konzertante Aufführung geeignet. Viel zu viel Bühnenaktion steckt da drin, vor allem im zweiten und im dritten Akt. Aber: Wenn man eine solche Sängerriege aufbietet, wie es nun das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks im Münchner Gasteig tat, und wenn diese sehr gut aufeinander abgestimmte Solistenschar - für "Falstaff" braucht man derer zehn - von einem Kerl wie Bryn Terfel angeführt wird, dann braucht man sich ums Gelingen wenig Sorgen machen.

Terfel ist das Geschenk der Gegenwart an ein 120 Jahre altes Werk. Er ist ein sanguinisches Erlebnis, vollgepackt mit unendlicher Darstellungslust, enormer Selbstironie und Menschlichkeit. Sein dicker Falstaff, und er selbst ist weniger dick als gewaltig, ist kein Hanswurst, den die Frauen an der Nase herumführen. Er ist ein Schlingel, der liebt, das Leben und die Liebe, und wenn er dabei halt mal auf Abwege gerät - sei's drum. Von Terfel geht eine Lust am Spiel (und natürlich am Gesang) aus, die alle ergreift. Die Solisten wuseln auf dem Podium herum, verschwinden und kommen wieder durch alle möglichen Türen, die man nur finden kann. Es ist aufgekratzte, aber nie simple Komödie, es ist eine Freude. Und aus einem Guss, da braucht man gar keinen hervorheben, aber vielleicht muss es bei zweien doch sein: Martin Mitterrutzner (Fenton) ist ein sehr feiner Tenor, Laura Giordano (Nannetta) eine perfekte, lyrische Sopranistin, ganz fein und leicht, makellos in der Stimme.

Ähnlich wie gerade bei den "Perlenfischern" des Gärtnerplatztheaters offenbart auch hier die konzertante Aufführung einen großen Gewinn: Man verfolgt die Musik für sich selbst genauer. Keine Szene lenkt von Verdis Spätstil ab, der auf Konventionen pfeift und geschlossene Formen nur einbaut, um sie zu zerstören. Daniel Harding fordert Übermut (Blech!) und Präzision, es ist ein herrlich lebendiges Erlebnis, selbst im irren Gefüge des Finales beeindruckend klar.

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