Kurzkritik:Luft nach oben

Metromadrid

An Sprachwitz mangelt es nicht: Kabarettist Thomas Steierer.

(Foto: Metromadrid)

Scharfrichterbeil-Sieger Thomas Steierer im Heppel & Ettlich

Von Oliver Hochkeppel

Immerhin, den stärksten Wind nahm Thomas Steierer seinen potenziellen Kritikern selbst aus den Segeln. Gleich zu Beginn kündigte er an, dass er sich "verzetteln" werde, dass sich also sein Programm "Der urbane Dorfdepp" aus diversen "Fragmenten" speist, die sich im Laufe der vergangenen 30 Lebensjahre so angesammelt haben. Und am Schluss gab er alle Wertungsmöglichkeiten vor - von der Bestnote bis zum "Totalausfall" und von "Man versteht nichts, weil er zu schnell und undeutlich redet" bis zu "Selbsttherapie".

Bei anderen Kabarettisten wäre dieser Auftritt nicht einmal als Vorpremiere durchgegangen. Erst zum zweiten Mal überhaupt stand Steierer alias "metromadrid" im Theater Heppel & Ettlich 90 Minuten lang auf der Bühne. Nur lag dazwischen eben jener Kurzauftritt, mit dem er im Dezember das große Scharfrichterbeil in Passau gewann, also den vielleicht renommiertesten Kabarett-Nachwuchswettbewerb in Deutschland. Was die Erwartungen an einen völlig ohne Regie oder Assistenz arbeitenden Debütanten ins Unerfüllbare schraubt. Und tatsächlich, die mit ihrem radikalen und doch tiefschichtigen Minimalismus verblüffende, heiter suizidale Figur, die er in Passau in zwölf Minuten erschuf, desintegrierte auf der langen Strecke. Ging verloren zwischen Aphorismen, durchnummerierten Zitatsammlungen, Publikumsabstimmungen und der noch nicht überzeugend gespielten Gegenfigur des "Bammerl". Es fehlt Thomas Steierer noch die Form, die all dies zusammenfügt.

Trotzdem (oder "immerhin", wie er leitmotivisch sagt) - man konnte auch die Anlagen dazu erkennen. Die Präsenz, das Talent für Timing und den Sprachwitz, über den Steierer verfügt. Und zwei Stränge, in die er seine Fragmente einhängen könnte, drängten sich dem Betrachter förmlich auf: das virulente Mobbing, das die moderne Kommunikationsgesellschaft mit ihren sozialen Medien erzeugt, und die psychischen Deformationen, die der Einzelne aus der Konfrontation von Tradition und Postpost-Moderne erleidet. Steierer muss nur noch das richtige Rezept finden, aber die Zutaten sind schon da. Immerhin.

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