Kurzkritik:Landschaftlich

Ingolf Turban überzeugt mit den Violinsonaten von Brahms

Von Harald Eggebrecht

Es war der große niederländische Cellist Anner Bylsma, der Kammermusik von Johannes Brahms treffend charakterisierte: Sie sei wunderbar "landschaftlich". Das verdeutlichte auch Ingolf Turban im Großen Saal der Musikhochschule, als er die drei Violinsonaten unprätentiös, konzentriert und leidenschaftlich darbot mit seiner Klavierpartnerin Gabriele Seidel-Hell. Turbans 30-jähriges Bühnenjubiläum gab den Anlass für dieses in seiner unhysterischen Qualität beispielhafte Konzert. Eine illustre Karriere: Einst blutjunger Konzertmeister der Münchner Philharmoniker unter Sergiu Celibidache, dann Solist um die Welt, Paganini-Spezialist und Repertoire-Erforscher mit über 40 CDs, Professor in Stuttgart, seit 2006 in München, Gründer des Kammerorchesters "I Virtuosi di Paganini".

Turban führte noch etwas Spezielles vor: Er spielte die G-Dur-Sonate auf einer Violine des Franzosen Nicolas Lupot von 1808, ihre "Stimme", so Turban, entspräche dem weichen Charakter des Stücks besonders. Für die helle A-Dur-Sonate nahm er die Stradivari von 1721, für die dramatische d-Moll-Sonate eine Martin-Schleske-Geige von 2009. Das ergab reizvolle Unterschiede, letztlich aber bestimmten Kunstverstand und Klangphantasie Turbans das Geschehen und die Entfaltung der jeweiligen Landschaftlichkeit: Die weichen Konturen der G-Dur-Sonate bestimmen eine gewisse Klangverhangenheit und jene wehmutsvollen Ausblicke, wie am Kopfsatzschluss, auf eine zart entschwindende Ferne. Die Lichtmomente der A-Dur-Sonate vom Aufblitzen, Erstrahlen, von Lichtungen bis zu freier Sicht in die Weite passen besonders gut zu Turbans auf der hellen Seite des Spektrums angesiedeltem Geigenklang und seinem unbefangenen Charme. Doch auch die Schroffheiten und Klüfte in den Ecksätzen der d-Moll-Sonate stellten die Künstler ebenso eindringlich dar wie die Sonorität des langsamen Satzes. Dem begeisterten Beifall dankten die Musiker mit einem fein ausgehörten Schumann-Satz.

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