Kurzkritik:Kühle Eleganz

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Der Pianist Maurizio Pollini im Herkulessaal

Von Klaus P. Richter, München

Eine Pianistenlegende kam - und auch alle Münchner Klavier-Afficionados waren selbstverständlich da. Dabei hatte Maurizio Pollini, der große Chopin-Spieler, zuerst Schumann im brechend vollen Herkulessaal in sein Programm gesetzt. Dort lieferte er gleich in dessen Arabeske C-Dur eine starke Probe von Dramatik, womöglich Zeichen eines Altersstils der heftigeren Emotionen. Pollini vertrieb alle duftige Kantilenengefälligkeit in den beiden dunklen Moll-Mittelteilen mit entschlossener Intensität und drängender Unruhe.

Im musikalisch-literarischen Narrativ der Kreisleriana-Fantasie kam er Frédéric Chopin zwar indirekt bereits näher, denn der ist Widmungsträger des Werks, vertiefte sich aber auch hier intensiv in Schumanns komplexe dialektische Spiele zwischen hitziger und diffuser Emotionalität in Clara-Liebesleidenschaft, den harmonischen Verfremdungen und den jähen Temperamentswechseln zwischen "sehr langsam" und "sehr rasch" der Fantasien. Zuletzt, im wilden Finale, realisierte sich unter Pollinis Fingern auf seinem eigenen Steinway Schumanns Bekenntnis "im Feuer komponiert" mit glänzender Bravour.

Nach der Pause dann Chopin pur: zwei Nocturnes und die letzte Sonate, h-Moll. Auch hier gelingt Pollini in den Nocturnes hinter der kühlen Eleganz aristokratischer Melancholie die Zeichnung dramatischer Schattenwürfe über dunklem Grund. Weil Chopin in seinen Klaviersonaten weniger auf die anstrengende Auseinandersetzung mit thematischen Prozessen setzt, sondern viel mehr auf das Girlandenwerk melodiöser Gespinste, schlägt die Stunde reinster pianistischer Spielkünste.

Maurizio Pollini, 1942 in Mailand geboren, entfesselt sie mit alter Meisterschaft. Dass sich hier zwar auch etwas von Chopins rhetorischem Überfluss offenbart, macht er fast vergessen, denn im H-Dur-Largo weht wieder edler Nocturno-Geist, im Rondo-Finale aber reißt Pollini sein Publikum nochmals in den Taumel grandiosen Virtuosenrausches. Jubel, Trubel, aber nur eine Zugabe.

© SZ vom 16.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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