Kurzkritik:Krachend

Killing Joke als musikalische Teufelsaustreiber

Von Dirk Wagner

Das ist doch wohl ein Witz. In Berlin wird das Konzert der englischen Post-Punk-Band Killing Joke aufgrund der Nachfrage in eine größere Halle verlagert. In München indes spielt das Quintett nach vierjähriger Abstinenz statt in der geplanten Theaterfabrik im deutlich kleineren Strom. Der Stimmung schadet das freilich nicht. Ganz im Gegenteil! Schließlich hätte niemand damit gerechnet, die 1979 gegründete Band je wieder in einem Clubkonzert zu erleben. Andere Rockstars wie Metallica, Helmet oder die Foo Fighters haben längst deren Songs gecovert. Und Foo Fighters-Sänger Dave Grohl ersetzte auf einem Killing Joke-Album sogar mal deren Schlagzeuger.

An diesem Abend jedoch stehen wieder alle Gründungsmitglieder der Formation auf der verhältnismäßig kleinen Bühne im Strom. Wo Gitarrist Kevin "Geordie" Walker sonst zum Gitarrenverstärker laufen muss, um davor mit seiner halb-akustischen Gibson Rückkopplungen zu provozieren, muss er sich hier eigentlich nur umdrehen. Der intime Rahmen gestattet zudem einen Blick auf den Ring, der einen Zeh des barfüßigen Bassisten Martin Glover ziert. Sänger Jaz Coleman mimt derweil in seinem schwarzen Gehrock eine adlige Version von Alice Cooper. Den Horror zieht er allerdings nicht aus rockmusikalischen Geisterbahnfahrten, sondern aus dem aktuellen Weltgeschehen.

Wie Reizwörter gehen ihm darum Namen wie Donald Trump, Hillary Clinton oder Marine Le Pen über die Lippen. Zusammenfassend attestiert er eine weltweite Wiederkehr des Faschismus. Als helfe dagegen eine Teufelsaustreibung, spielt die Band nun den Song "Exorcism", zu welchem der Sänger wie ein Exorzist gestikuliert. In einem Konzert, das bereits als zweiten Song den Smash-Hit "Love Like Blood" raus schleudert, um gleich darauf mit den nicht minder krachenden Partygaranten "Eighties" einzuheizen, treibt solcher Exorzismus freilich keine Teufel aus. Vielmehr treibt er eine immer ausschweifender pogende Fangemeinde an.

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