Kurzkritik:Kollisionskurs

Matthias Egersdörfer spielt sein neues Kabarettprogramm

Von Oliver Hochkeppel

Im Franken-Tatort spielt Matthias Egersdörfer ja einen Pathologen, auf der Kabarettbühne ist er eher ein PsychoPathologe, der die Defekte des Menschlich-Allzumenschlichen gnadenlos seziert, mit grobschlächtigem fränkischen Dialekt und Lokalkolorit als Katalysator. Keiner zapft dabei so brutal verborgene Emotionen und Fantasien an, führt sein Publikum so frontal auf eine Achterbahn der Gefühle und Reaktionen. Der Kollisionskurs, auf den er stets geht, war selten so ausgetüftelt wie im neuen Programm "Ein Ding der Unmöglichkeit", das jetzt in der Lach- und Schießgesellschaft Premiere hatte.

"Momentamol, des is' ja komplett der falsche Anfang", unterbrach er sich gleich zu Beginn: Exakt mit dem Text des alten Programms hatte er losgelegt. Beim Sinnieren über die Gründe kam er auf die Protest-Idee des früh verstorbenen Freundes und Kollegen Philipp Moll, man müsse sich bei passender Gelegenheit - etwa auf einem Parteitag - einmal in komplett weißer Kleidung öffentlich in die Hose scheißen. Dann fiel ihm das Schäferstündchen der Nachbarn ein, das er zufällig beobachtete, er landete bei einer Mordfantasie seinen alten Chemielehrer betreffend - und wurde immer verzweifelter, weil sich nichts von dem "geplanten netten politischen Kabarett" einstellte: "Scheißen, ficken, morden, das wird ja immer schlimmer. Vielleicht hätt' ich absagen sollen."

Man konnte also durchaus Angst bekommen, als Egersdörfer nach der Pause tatsächlich in komplett blütenweißer Montur erschien. Doch siehe da, er überraschte mit einer vergleichsweise sanften zweiten Hälfte. Nur dezent versprühte er mit dieser selbst leise kreischend klingenden Monsterstimme - die man im Fernsehen nie hört - Gift und Galle, rührte einen stattdessen fast mit absurden Entschleunigungsträumen ("Überall steht ein Sofa, aber das Know-how ist verloren gegangen") und endet gar bei der Oper als Resthoffnung auf Menschlichkeit. Freilich nicht ohne das Lob final noch einmal zu vergiften. Genial monströs, wieder einmal und noch bis Samstag zu sehen.

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