Kurzkritik Klassik:Beiläufig gut

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Julia Fischer und Ana Chumachenco

Von Rita Argauer, München

Beiläufig hat oft eine eher negative Bedeutung. Doch in der Musik ist die elegante Beiläufigkeit eine ebenso hohe Kunst wie Zeugnis existenzieller Involviertheit. Wenn Julia Fischer zusammen mit ihrer einstigen Lehrerin Ana Chumachenco und dem Kammerorchester des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks auftritt, werden diese beiden interpretatorischen Welten offenbar. Mit Alexander Glasunows Variationen für Streichorchester und Mozarts siebter Symphonie zeigt das Orchester unter der Leitung von Konzertmeister Radoslaw Szulc eine elegante Form der Beiläufigkeit: Ihr schlanker Klang passt zu den etwas diffus wabernden Variationen genauso, wie zur Symphonie Mozarts. Die bekommt dadurch auch den Charakter eines ausatmenden Zwischenspiels, der ihrem dramaturgischen Platz als Einleitung des zweiten Teils des Programms entspricht.

Mit dem Violinkonzert des 1982 geborenen Andrey Rubtsov rückt Fischer den Fokus jedoch in Richtung Existenzialität. Das viersätzige Werk, dessen Komposition Fischer selbst in Auftrag gegeben hat, verbindet harmonisch schwankende Spätromantik mit postmoderner Vereinzelung und Zitathaftigkeit. Fischer verfärbt ihren klaren Grundton kontinuierlich dazu und vermag immer dann besonders berühren, wenn sie die Klarheit minimal erzittern lässt und sich quasi mit Absicht aus der Bahn wirft.

Chumachenco spielt Schuberts Rondo für Violine und Streichorchester später dann gelassener und weniger zwingend. Sie bereitet damit jedoch schon den Gemeinklang vor, den die beiden Musikerinnen anschließend mit Mozarts Concertone für zwei Violinen perfektionieren. Ohne individuellen Interpretationszwang erklingen die Solostimmen als Teil des symphonischen Gesamtwerks. Dass in den tosenden Schlussapplaus die Blumensträuße allesamt ins Orchester weitergereicht werden, ist nur ein kleines Zeichen dafür, wie groß etwas klingen kann, wenn es die einzelnen Teile schaffen, sich als beiläufig zum großen Ganzen zu begreifen.

© SZ vom 21.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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