Kurzkritik: Klassik:Alles ist Präzision

Julia Fischer und das Royal Philharmonic Orchestra

Von Andreas Pernpeintner

Seit Valery Gergiev Chef der Münchner Philharmoniker ist, versuchen diese, der Gasteig-Akustik durch Zusammenrottung nahe der Podiumsrückwand Herr zu werden. Ganz anders das Royal Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Charles Dutoit. Die Londoner sitzen selbstbewusst ganz vorne. Wo soll da nach Berlioz' "Römischem Karneval" op. 9 noch Julia Fischer unterkommen, um Mendelssohns Violinkonzert op. 64 zu spielen? Aber für seinen Artist in Residence schafft ein Orchester immer Platz.

Wer Julia Fischers Geigenspiel kennt, ist nicht überrascht, dass sie - anders, als dies mit Anne-Sophie Mutter vor einigen Monaten eine andere in München verwurzelte Geigerin an selber Stelle beim selben Stück tat - nicht expressiv auf den Putz haut. Alles an Fischers Vortrag ist Präzision, Ernst, Beherrschung. Sicher, das wirkt mitunter kühl - und man fragt sich, weshalb ihr selbst die Lyrik des Andantes gar so steile Falten in die Stirn schreibt. Man könnte das anders spielen. Süffiger, süßer. Aber gewiss nicht schöner. Julia Fischers Darbietung ist so schön, weil sie so perfekt ist. Vielleicht ist das Andante dadurch nicht wohlig. Aber so dicht, wie Fischer die Melodielinien führt, dabei absolut klar in den Konturen, erhält es eine fast atemlose Spannung und große Eleganz. Und beim Finale des Konzerts in der Philharmonie lässt Fischer dann tatsächlich eine lässigere Gestik zu und meistert den filigranen Virtuosenaberwitz mit jenem großen Ton, mit dem sie schon im Kopfsatz die Kraft des Orchesters locker parierte.

Damit soll nicht gesagt sein, hier fände ein Wettstreit statt. In Wahrheit gehen Dutoit und das Orchester sehr aufmerksam auf Fischers Interpretation ein. Aber eben bereits mit jener musikantisch ausdrucksstarken Energie, die sie nach der Pause durch Dvořáks hervorragend gespielte Symphonie "Aus der neuen Welt" trägt. Ob man nun auf dem Nachhauseweg die Blechbläsermonumente oder das friedliche Largo im Ohr hat, ist egal. Beglückend war beides.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: