Polling - Auch an diesem letzten Abend der "Pollinger Tage für Alte und Neue Musik" sieht man nichts als strahlende Gesichter: Birgit Chlupacek, die zweite Hälfte des Leitungsteams neben Gerold Huber; die für die Neue Musik entflammten Musiker des jungen Ensembles Blauer Reiter; der Komponist des Abends und natürlich die Konzertbesucher - sie alle schauten rundum glücklich drein. Zum Ende des kleinen, feinen Festivals in Polling war große Musik auf engem Raum vor gezählten und dennoch gedrängt sitzenden Zuhörern zu erleben. Im Nike-Saal benamsten Wohnzimmer des Schweigharthofs auf dem literarisch von Thomas Mann geadelten Klosterareal erklangen Werke der Moderne, in denen der jeweilige Komponist - in der Programmfolge Tzvi Avni und Arnold Schönberg - zu seinem eigenen Stil gefunden hatte.
In der zweiten Reihe wippte ein älterer Herr die Rhythmen seiner Kompositionen mit, schaute sichtlich zufrieden der Flötistin Zinajda Kodrič und dem Klarinettisten Oliver Klenk auf die Finger, folgte alert der präzisen Zeichengebung von Armando Merino: Tzvi Avni, mit 90 Jahren Israels Doyen unter den komponierenden Neuerern, 1927 als Herrmann Jakob Steinke in Saarbrücken geboren und 1935 mit den Eltern vor Hitler nach Haifa geflohen.
Avni, der als flotter Siebziger durchgehen könnte, verkörpert nach wie vor die korrekte Haltung der Jeckes, der deutschen Juden. In seiner Musik, zumal im Liederzyklus "Love under a Different Sun", hingegen kommen mediterrane Einflüsse zum Tragen, atonal verfremdet zu einer Art Supra-Folklore. Die anmutige Sopranistin Andrea Jarnach lieh den Vertonungen von Gedichten verschiedener Stämme aus der Region ihren samtigen Mezzo mit hingebungsvoller Schlichtheit. Auf Hebräisch! Und dann sprengte Schönbergs vielstimmig rhythmisierte, mit Verve dargebotene erste Kammersymphonie op.9 als klangrauschender Schlussakkord den Raum. Das Programm für 2019 steht schon.